Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
aaa) Überblick
Rn. 74
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Der Kap.-Rücklage zuzuführen ist ausdrücklich jegliches Entgelt, das als Gegenleistung für die Gewährung von Umtausch- oder Bezugsrechten zum Erwerb von Anteilen erzielt wird. D.h., erfasst werden nicht nur Beträge
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aus der Ausgabe von Wandelschuldverschreibungen, sondern auch solche, die bei der Emission von Optionsanleihen erzielt werden; |
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in Form einer Differenz zwischen dem Rückzahlungsbetrag und dem (höheren) Ausgabebetrag einer Schuldverschreibung, sondern auch Vergütungen, die bspw. "in der Einräumung eines unter dem Kapitalmarktzins liegenden Zinssatzes" (BT-Drs. 10/4268, S. 106) bestehen. |
Rn. 75
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Durch diese Formulierung sollte der geänderten Finanzierungspraxis der UN Rechnung getragen werden (vgl. Deutscher BT (1986), S. 125ff.). Diese spiegelt sich insbesondere in den folgenden zwei Entwicklungen wider:
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Während sich der Preis für eine Wandelschuldverschreibung früher regelmäßig aus dem Rückzahlungsbetrag der Schuldverschreibung und einem offenen Aufgeld (= Differenz zwischen dem Rückzahlungskurs und dem Nennwert der Wandelschuldverschreibung) für das Wandlungsrecht zusammensetzte, wird heute bei der Ausgabe einer Wandelschuldverschreibung vielfach auf ein offenes Aufgeld verzichtet und stattdessen die Schuldverschreibung mit einer erheblich unter dem Kap.-Marktzins liegenden Nominalverzinsung (im Extremfall ist der Nominalzins gleich Null) ausgestattet. |
(2) |
Die verstärkten internationalen Aktivitäten deutscher UN sowie die fortschreitende Konzernbildung haben dazu geführt, dass für Zwecke der Konzernfinanzierung im In- und Ausland zunehmend reine Finanzierungstöchter gegründet wurden. Die von diesen UN emittierten Optionsanleihen weisen die Besonderheit auf, dass sie ein Bezugsrecht auf Aktien des MU verbriefen. Dies geschieht entweder dadurch, dass die von dem TU emittierte Schuldverschreibung mit Optionsscheinen des MU ausgestattet wird oder das MU den aus den von der Finanzierungstochter begebenen Optionsscheinen resultierenden Verschaffungsanspruch über Aktien des MU garantiert. |
Rn. 76
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Einen Überblick über mögliche Gestaltungsformen von Wandelschuldverschreibungen gibt nachstehende Übersicht (vgl. hierzu auch Schlede/Kley (1987), S. 8ff.). § 272 Abs. 2 Nr. 2 berücksichtigt dabei explizit die bei den einzelnen Arten von Wandelschuldverschreibungen unterschiedlichen Erscheinungsformen des Entgelts für Options- bzw. Wandlungsrechte und fordert jeweils dessen Einstellung in die Kap.-Rücklage.
bbb) Wandelschuldverschreibungen mit marktüblicher Verzinsung und offenem Ausgabeaufgeld
Rn. 77
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Der Rückzahlungsbetrag einer Schuldverschreibung ist in den Bilanzposten "Anleihen" (§ 266 Abs. 3 C. 1.) einzustellen und als "davon konvertibel" aufzugliedern. Dies gilt sowohl für Wandelanleihen als auch für Optionsanleihen (vgl. HdR-E, HGB § 266, Rn. 146ff.; WP-HB (2023), Rn. F 482). Das von den Anleihezeichnern gezahlte Entgelt für Wandlungs- bzw. Optionsrechte stellt wirtschaftlich betrachtet eine den Altaktionären zustehende Gegenleistung dafür dar, dass sie den Erwerbern der Anleihe durch den Beschluss nach § 193 AktG das Recht eingeräumt haben, sich zu einem späteren Zeitpunkt durch Ausübung ihres Bezugsrechts am Vermögen der AG/KGaA/SE zu beteiligen (vgl. Kropff, ZGR 1987, S. 285 (296)). Da die Anleihezeichner dieses Entgelt nicht unmittelbar an die Altaktionäre entrichten, sondern in deren Auftrag an die Gesellschaft übermitteln, ist hierin eine Einlage der Altaktionäre in ihre KapG zu sehen (vgl. Loos, BB 1988, S. 369f.; Kropff, ZGR 1987, S. 285 (299)). § 272 Abs. 2 Nr. 2 bestimmt, dass diese Einlagen der Altgesellschafter ohne Berührung der GuV (vgl. § 275 Abs. 4) in die Kap.-Rücklage einzustellen sind. Auf die spätere Ausübung der Option kommt es nicht an (vgl. Busse von Colbe (1987), S. 54; Kropff, ZGR 1987, S. 285 (287ff.); Loos, BB 1988, S. 369 (372f.)).
Übersicht: Erscheinungsformen von Wandelschuldverschreibungen
ccc) Niedrig verzinsliche Optionsanleihen
Rn. 78
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Im Gegensatz zur Wandelschuldverschreibung mit marktüblicher Verzinsung ist bei Optionsanleihen, die (i. d. R.) ohne offenes Ausgabeaufgeld mit einer nicht marktüblichen (Nominal-)Verzinsung ausgegeben werden, das vom Anleihezeichner für das Optionsrecht gezahlte Entgelt nicht unmittelbar ersichtlich. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, dass ein solches Entgelt nicht vereinbart wurde. Es unterliegt keinem Zweifel, dass der Erwerber der Anleihe zwei selbständige VG erwirbt (vgl. Weitkemper, WPg 1986, S. 286 (287); Busse von Colbe (1987), S. 49ff.), nämlich
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die reine Anleihe mit vereinbartem Nominalzins und gegebener Laufzeit sowie |
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das Optionsrecht (verkörpert durch den Optionsschein). |
Bei der Ermittlung des in die Kap.-Rücklage einzustellenden Betrags ist davon auszugehen, dass Anleihezeichner, Altaktionäre und Anleiheemittent ein in allen Belangen ausgewogenes Geschäft gewollt haben, also eine angemessene Bezahlung sowohl der Anleihe als auch des Optionsrechts (vgl. Koch/Vogel, BB 1986, Beilage Nr. 10 zu Heft ...