Dr. Wolfgang Knop, Dr. Peter Küting
Rn. 268
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Die Regelung des § 255 Abs. 2 Satz 4, nach der Vertriebskosten nicht in die HK einbezogen werden dürfen, hat einerseits zu einer eindeutigen Klärung dieser Frage geführt. Andererseits wurde dadurch eine Neufassung des Begriffsinhalts der Vertriebskosten notwendig.
aaa) Grundlagen
Rn. 269
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Der Begriff der Vertriebskosten stellt einen unbestimmten Rechtsbegriff dar, weswegen auf Hilfslösungen bezüglich seiner Auslegung bzw. einer inhaltlichen Bestimmung zurückgegriffen werden muss (vgl. Weber, DB 1987, S. 393f.). Vertriebskosten fallen i. R.d. Verteilung der produzierten VG, nicht i. R.d. Herstellung einzelner Erzeugnisse an.
Rn. 270
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Nach § 255 Abs. 2 Satz 4 muss davon ausgegangen werden, dass Sonder-EK des Vertriebs als Unterkategorie der Vertriebskosten zweifelsfrei nicht aktiviert werden dürfen. Denn der Gesetzgeber folgt(e) wörtlich der Vorschrift des Art. 2 Nr. 7 Satz 3 der Bilanz-R (vormals: Art. 39 Abs. 2 Satz 3 der 4. EG-R), wonach Vertriebskosten – also offensichtlich sowohl Vertriebs-EK als auch Vertriebs-GK – nicht in die HK einbezogen werden dürfen. Damit sprach sich der Gesetzgeber gegen die Forderungen des Berufsstands der WP (vgl. IDW/WPK (1980), WPg 1980, S. 501 (511)) sowie der Spitzenverbände der Wirtschaft (vgl. DIHT et al. (1984), DB 1984, Beilage Nr. 7 zu Heft 9, S. 1 (7)) aus, die ein Aktivierungsgebot in Analogie zur Behandlung der Sonder-EK der Fertigung bzw. zumindest ein Aktivierungswahlrecht (vgl. in dieser Hinsicht KOM "Rechnungswesen" im VHB, DBW 1983, S. 5 (9)) für die (Sonder-)EK des Vertriebs befürworteten. Nunmehr bestehen im Handels- und Steuerrecht gleiche Regelungen; auch nach R 6.3 Abs. 6 Satz 3 EStR (2012) zählen Vertriebskosten explizit nicht zu den HK.
bbb) Abgrenzungsfragen
Rn. 271
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Angesichts dieser Entwicklung kommt heute der Abgrenzung der Vertriebskosten von anderen Kostenarten, vornehmlich der Abgrenzung der Sonder-EK des Vertriebs von denen der Fertigung (vgl. HdR-E, HGB § 255, Rn. 191ff.), a.o. Bedeutung zu. Im Zweifel wird es – insbesondere um dem Postulat der Erfolgsneutralität des Herstellungsvorgangs Rechnung zu tragen (vgl. HdR-E, HGB § 255, Rn. 3) zulässig sein, den Begriff der Vertriebskosten eng auszulegen.
Rn. 272
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Nach Weber (DB 1987, S. 393 (397)) sind Vertriebskosten durch folgende Merkmale gekennzeichnet, die jedoch nicht zwingend kumulativ vorliegen müssen:
(1) |
Keine direkte Zurechenbarkeit: Vertriebskosten lassen sich typischerweise nicht in einem hinreichend kausalen und/oder finalen Zusammenhang den jeweiligen VG einzeln zurechnen. Sie fallen weniger produkt- als mehr zeitraumbezogen an. |
(2) |
Sachliche und zeitliche Trennung vom Produktionsprozess: Insbesondere i. R.d. anonymen Serien-/Massenfertigung ist der zeitlich nachgelagerte Absatz-/Vertriebsvorgang losgelöst von der zeitlich vorgelagerten Fertigung bzw. Herstellung zu sehen. |
(3) |
Unmittelbare Ausrichtung auf den Vertriebsprozess: Hieraus resultiert eine klare Abgrenzung der Vertriebskosten von den Aufwendungen anderer UN-Bereiche, wie der Herstellung, Verwaltung und anderen Tätigkeiten, die vornehmlich der Auftragsdurchführung zuzurechnen sind. |
(4) |
Unsichere, u. U. zweifelhafte Werthaltigkeit: Die Werthaltigkeit von Vertriebskosten ist oftmals nicht gegeben oder nicht hinreichend nachprüfbar. Vertriebskosten haben daher – im Gegensatz zu HK – keinen werterhöhenden Charakter. |
(5) |
Bezug zu einem Sachgegenstand: HK zeichnen sich dadurch aus, dass sie den Wert eines körperlich fassbaren VG erhöhen bzw. neben einer wertmäßigen regelmäßig auch eine körperliche Transformation erfolgt. Dieser Bezug zu einem einzelnen materiellen Gegenstand ist bei den Vertriebskosten nicht gegeben bzw. keine zwingende Voraussetzung. |
Rn. 273
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Zu den nicht aktivierungsfähigen Vertriebskosten sind zu rechnen (vgl. Brandl, BB 1977, S. 886 (888)): Kosten für Fertig- und Vertriebsläger, für Vertriebsabteilungen inkl. besonderer Verkaufsbüros sowie Vertriebskolonnen; dabei handelt es sich i.W. um Sach- und Personalkosten. Des Weiteren können als typische Vertriebskosten die Kosten für Werbung, Werbekampagnen und -material, dem Vertrieb dienende Marktuntersuchungen, Ausstellungen und Messen, Schulungen und Reisen der Verkäufer sowie Verkaufsförderungsmaßnahmen etc. angesehen werden.
In folgenden Einzelfällen ist die Trennung des Vertriebs- vom Fertigungsbereich und entsprechend die Abgrenzung der angefallenen Kosten nicht immer eindeutig möglich:
Rn. 274
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
(1) |
Lagerkosten, die vor der Aufnahme des Produktionsprozesses oder im Zuge des Produktionsablaufs – also aufgrund der Lagerung von Rohstoffen oder Halbfabrikaten – anfallen, gehören zu den Fertigungs- bzw. Material-GK. Sind sie aber dem Produktionsprozess nachgelagert, so zählen sie grds. zu den Vertriebskosten, es sei denn, es handelt sich um Lagerkosten für VG, bei denen der Lagerungsprozess einem notwendigen Alterungs- oder Reifep... |