Dr. Dirk Fey, Prof. Dr. Henner Klönne
Rn. 71
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Über die Bemessung der Höhe angabepflichtiger Haftungsverhältnisse ergeben sich aus dem Gesetz keine direkten Vorgaben. Daher ist diese Frage nach dem Sinn und Zweck der Angabepflicht sowie den allg. Bewertungsgrundsätzen zu beantworten, soweit diese auf Angaben außerhalb der Bilanz übertragbar sind (vgl. im Einzelnen Fey (1989), S. 156). Für die Bestimmung des anzugebenden Betrags gelten i.W. folgende Maßstäbe: der vermerkpflichtige Betrag ist grds. entsprechend § 253 Abs. 1 Satz 2 zu bestimmen (vgl. HdJ, III/9 (2017), Rn. 161), wonach Verpflichtungen mit ihrem Erfüllungsbetrag bzw. mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag anzusetzen sind. Der Betrag soll die mögliche künftige Inanspruchnahme in vollem Umfang zeigen, entsprechend sind Haftungsverhältnisse in Höhe des vollen Haftungsbetrags vermerkpflichtig (vgl. Baetge/Kirsch/Thiele (2021), S. 589; MünchKomm. HGB (2020), Rn. 5). Bei völlig ungewisser Höhe sind verbale Angaben über Art und Bestehen der Verpflichtungen (Fn. oder Anhangangabe) zu machen (vgl. WFA 1/1984, WPg 1985, S. 59 (60); Bonner HGB-Komm. (2020), § 251, Rn. 52; HdJ, Abt. III/9 (2017), Rn. 162; Beck Bil-Komm. (2022), § 251 HGB, Rn. 31). Für den Leser des JA ist es hilfreich, wenn über die verbalen Angaben hinaus auch das voraussichtliche tatsächliche Max.-Risiko quantitativ angegeben wird. Da entsprechende weitere Angaben außerhalb der Bilanz keine unmittelbaren Auswirkungen auf die Zahlungsbemessung haben, findet das Vorsichtsprinzip keine Anwendung auf die Bestimmung der Höhe der vermerkpflichtigen Beträge. Falls der Umfang der möglichen Haftung nicht feststeht, ist daher zusätzlich zu den verbalen Angaben der wahrscheinlichste Betrag anzugeben, nicht etwa ein Wert am unteren Ende des Schätzungsspielraums. Das Vorsichtsprinzip findet mit § 251 aber insofern doch Anwendung, als nur Risiken, nicht jedoch Chancen zwingend zu vermerken sind (vgl. zum "Darstellungsimparitätsprinzip" auch Ballwieser, WPg 1987, S. 57 (66)).
Rn. 72
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Passivierte (Teil-)Beträge sind nach § 251 Satz 1 grds. von der Höhe des Gesamtbetrags der Verpflichtungen abzuziehen, um einen Doppelausweis zu vermeiden (vgl. auch HdR-E, HGB § 251, Rn. 20). Im Gegensatz dazu sind Haftungsverhältnisse zugunsten von Organmitgliedern von KapG und gleichgestellten Gesellschaften nach § 285 Nr. 9 lit. c) in vollem Umfang gesondert im Anhang anzugeben, auch wenn sie (ganz oder teilweise) passiviert wurden (vgl. auch HdR-E, HGB § 284–288, Rn. 433).
Rn. 73
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Wie bereits zuvor erwähnt (vgl. HdR-E, HGB § 251, Rn. 34), verlangt § 251 Satz 2, dass keine Saldierung mit evtl. bestehenden Rückgriffsforderungen vorgenommen werden darf. Dies ist unabhängig davon, ob diese den Verpflichtungen zum Abschlussstichtag gleichwertig gegenüberstehen oder nicht. Sicherungen des Haftungsrisikos durch Dritte dürfen nur dann zu einer Minderung des vermerkpflichtigen Betrags führen, wenn die Deckung unmittelbar und zwingend an die Inanspruchnahme geknüpft und die Bonität des Dritten zweifelsfrei ist, so dass wirtschaftlich tatsächlich keinerlei Risiko besteht. Sobald aber Zweifel an der Sicherung des Haftungsrisikos bestehen, ist eine Angabe entsprechend dem Wortlaut und Zweck des § 251 Satz 2 ausnahmslos geboten.
Rn. 74
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Eine Diskontierung des Betrags nach § 253 Abs. 2 erscheint nach dem Wortlaut der §§ 251 und 253 Abs. 1f. nicht geboten (vgl. ebenso Beck Bil-Komm. (2022), § 251 HGB, Rn. 27; Bonner HGB-Komm. (2020), § 251, Rn. 46). I.d.R. dürfte bei nicht passivierungspflichtigen Haftungsverhältnissen der Zeitpunkt einer möglichen Inanspruchnahme kaum sinnvoll zu ermitteln sein. Daher scheidet eine sachgerechte Abzinsung des anzugebenden Verpflichtungsbetrags regelmäßig schon aus diesem Grund aus. Dasselbe dürfte auch für Preis- und Kostensteigerungen gelten (vgl. so auch Beck-HdR, B 250 (2010), Rn. 187; Bonner HGB-Komm. (2020), § 251, Rn. 47).
Rn. 75
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Haftungsverhältnisse, die in fremder Währung erfüllt werden müssen, sind jeweils grds. zum Geldkurs am Abschlussstichtag umzurechnen. Entsprechend § 256a erscheint auch die Verwendung des Devisenkassamittelkurses zulässig (vgl. HdR-E, HGB § 256a, Rn. 115; ferner Beck Bil-Komm. (2022), § 251 HGB, Rn. 30; Bonner HGB-Komm. (2020), § 251, Rn. 47). Die Umrechnung zum Stichtagskurs erscheint auch sachgerecht, wenn dieser unter dem Kurs zum Zeitpunkt des Entstehens der Verpflichtung oder des VJ liegt. Eine Bindung an das Realisationsprinzip ergibt bei Angaben über Haftungsverhältnisse außerhalb der Bilanz keinen Sinn, da sich aus der Höhe des angegebenen Betrags keine unmittelbaren Folgen für mögliche Entnahmen oder Ausschüttungen ergeben und die Anwendung des Stichtagskurses eine mögliche künftige Belastung richtiger darstellt als die Verwendung des historischen "Anschaffungs"-Kurses (vgl. Haufe HGB-Komm. (2021), § 251, Rn. 6).
Rn. 76
Stand: EL 39 – ET...