Dr. Wolfgang Knop, Dr. Peter Küting
Rn. 355
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Unter anschaffungsnahem Herstellungsaufwand sind solche Aufwendungen zu verstehen, die ihrem Wesen nach zur Modernisierung/Instandhaltung von VG angefallen sind, und im Verhältnis zum Kaufpreis als bedeutsam bzw. erheblich zu qualifizieren sind bzw. waren (vgl. BFH, Urteil vom 08.07.1980, VIII R 189/78, BStBl. II 1980, S. 744f.; IDW RS IFA 1 (2013), Rn. 15). Die ältere Rspr. des BFH und ihr folgend die Finanzverwaltung hatten derlei Aufwendungen, sofern sie im zeitlichen Zusammenhang mit dem Erwerb eines Gebäudes (i. d. R. innerhalb von drei Jahren) angefallen und im Verhältnis zum Kaufpreis hoch (mehr als 15 % der AK) waren, grds. als HK beurteilt (vgl. etwa R 157 Abs. 4 Satz 1f. EStR (a. F.); BFH, Urteil vom 09.05.1995, IX R 116/92, BStBl. II 1996, S. 632; zur Entwicklung der BFH-Rspr. solche anschaffungsnahen HK betreffend Frotscher/Geurts (2022), § 6 EStG, Rn. 312aff.; Wendt, in: FS Spindler (2011), S. 879 (880ff.); Weiss, BB 2019, S. 363ff.), obgleich im Regelfall typische Erhaltungsaufwendungen vorlagen. Ursächlich dafür ist bzw. war die Fiktion, dass größere Instandhaltungsmaßnahmen des Erwerbers, die zeitlich im Zusammenhang mit der Anschaffung stehen, auf einen mehr oder weniger schlechten Zustand des VG zum Zeitpunkt des Erwerbs zurückzuführen seien, der wiederum im Kaufpreis entsprechend Berücksichtigung gefunden habe (vgl. z. B. BFH, Beschluß vom 22.08.1966, GrS 2/66, BStBl. III 1966, S. 672 (674)). Eine allg. Aktivierungspflicht für anschaffungsnahe Aufwendungen ist jedoch mit § 255 Abs. 1f. nicht zu vereinbaren (vgl. FG Niedersachsen, Urteil vom 24.10.1986, VIII 165/86, EFG 1987, S. 297f.; FG München, Urteil vom 23.04.1987, X 84/83 E, EFG 1987, S. 497f.; a. A. FG Berlin, Urteil vom 09.02.1988, V 239/86, EFG 1988, S. 349f.; ADS (2023), § 255, Rn. 53, 89f., m. w. N.); so ist diese Rspr. derweil auch seitens des BFH aufgegeben worden (vgl. BFH, Urteil vom 12.09.2001, IX R 39/97, BStBl. II 2003, S. 569; BFH, Urteil vom 12.09.2001, IX R 52/00, BStBl. II 2003, S. 574; überdies Spindler, BB 2002, S. 2041 (2044f.)).
Rn. 355a
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
Gemäß neuerer Rspr. (vgl. HdR-E, HGB § 255, Rn. 355) sind anschaffungsnahe Aufwendungen nicht mehr undifferenziert allein wegen ihrer Höhe bzw. ihrer zeitlichen Nähe zum Anschaffungszeitpunkt zu beurteilen. Stattdessen gilt es zu prüfen, ob AK i. S. d. § 255 Abs. 1 in Betracht kommen, weil der betreffende Aufwand dazu bestimmt ist, das Gebäude in seinen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, oder HK, weil das Gebäude über seinen bisherigen Zustand hinaus wesentlich verbessert wird. Eine "Verbesserung" im hier verstandenen Sinne liegt dabei stets dann vor, sofern eine Standardhebung oder Erweiterung i. S. d. § 255 Abs. 2 gegeben ist (vgl. HdR-E, HGB § 255, Rn. 344ff., 350).
Rn. 355b
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Der Gesetzgeber dagegen reagierte daraufhin im Zuge des sog. Steueränderungsgesetzes (StÄndG) vom 15.12.2003 (BGBl. I 2003, S. 2645ff.) dergestalt, als er die alte Verwaltungsauffassung (vgl. R 157 Abs. 4 EStG) im Wege der Einfügung des § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG quasi wieder reaktivierte und zumindest im Grundsatz gesetzlich festschrieb. Flankiert von scharfer Kritik im Schrifttum (vgl. Bonner HGB-Komm. (2021), § 255, Rn. 146ff., m. w. N.), wurde dies damit begründet, dass die geänderte Rspr. im Einzelfall schwierig anzuwenden und streitanfällig sei (vgl. BT-Drs. 15/1562, S. 32). Nunmehr gilt: Anschaffungsnahe Aufwendungen sind zwingend als HK zu aktivieren, sofern sie in einem Zeitraum von drei Jahren nach Anschaffung 15 % der Gebäude-AK übersteigen. Auf eine wesentliche Wertverbesserung kommt es insoweit nicht mehr an. Auch Erhaltungsaufwand wird mithin bei Überschreiten der 15 %-Grenze in Herstellungsaufwand umqualifiziert (vgl. auch BFH, Urteil vom 13.03.2018, IX R 41/17, BStBl. II 2018, S. 533ff.; R 6.4 Abs. 1 EStR (2012)). Weil aber § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG eine originäre steuerrechtliche Bewertungsvorgabe verkörpert, ist dies für die handelsbilanzielle Behandlung ohne Bedeutung (vgl. so auch BeckOK-HGB (2022), § 255, Rn. 96). M.a.W.: Der Begriff der HK in § 255 Abs. 2 bleibt davon unberührt, so dass die betreffenden Aufwendungen nach wie vor nicht als HK anzusehen sind und handelsrechtlich nicht aktiviert werden dürfen.
Rn. 356
Stand: EL 41 – ET: 12/2023
AK sind alle, aber auch "nur die Aufwendungen, mit denen der Erwerb selbst oder die erstmalige Einsatzbereitschaft eines Vermögensgegenstandes bezweckt werden" (Mathiak (1984), S. 117), wobei auf die Betriebsbereitschaft i. S.e. objektiven Nutzungsfähigkeit für den angestrebten Zweck abzustellen ist (vgl. FG München, Urteil vom 23.04.1987, X 84/83 E, EFG 1987, S. 497f.; Schmidt: EStG (2009), § 6, Rn. 86; a. A. BFH, Urteil vom 12.02.1985, IV R 114/83, BStBl. II 1985, S. 690; kritisch zu diesem Urteil Söffing, DB 1986, S. 662f.). Dagegen können Maßnahmen, die nach diesem Zeitpunkt an dem erworbenen VG vorgenommen werden, um die Art, die Qualität oder die Quantität der Leist...