Dr. Matthias Heiden, Dr. Christian F. Bosse
Rn. 109
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Einleitend (vgl. HdR-E, AktG § 91, Rn. 64) wurde bereits auf das Auslegungsproblem hinsichtlich der diesbezüglichen gesetzgeberischen Intention hingewiesen. Die Interpretation der Gesetzesvorschrift hinsichtlich des Überwachungssystems wird im Schrifttum kontrovers behandelt (vgl. für einen Überblick Wirtz, WuW 2001, S. 342 (351f.)). Hierbei wird grundlegend die Frage diskutiert, ob das Überwachungssystem integraler Bestandteil des Risikofrüherkennungssystems ist (vgl. etwa Götz, NVwZ 2001, S. 21; Hüffer, in: FS Imhoff (1998), S. 91 (103f.); Möllers, AG 1999, S. 433 (439); Picot/Aleth (1999), Rn. 157) oder etwas Zusätzliches darstellt (vgl. ADS (2001), § 91 AktG, Rn. 28ff.; Geßler-AktG (2011), § 91, Rn. 5f.; Hüffer-AktG (2024), § 91, Rn. 10ff.; Lück, WPK-Mitteilungen 1998, S. 182 (183ff.); Rodewald, BB 2001, S. 2155 (2159)). Beide Seiten stimmen jedoch darin überein, dass das Überwachungssystem der Effizienz des Risikofrüherkennungsprozesses dienen soll. Die nachfolgenden Ausführungen verdeutlichen, dass durch Einbeziehung existierender UN-Institutionen bei der Ausgestaltung des Überwachungssystems der deklaratorische Charakter der Vorschrift erhalten bleibt und beide Auffassungen letztendlich zusammengeführt werden können, da einerseits die Einhaltung der organisatorischen Maßnahmen zu überwachen ist und andererseits Risiken aus einer fehlerhaften Anwendung oder einer mangelhaften Ausgestaltung ein eigenes Risikofeld darstellen.
Rn. 110
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Nachdem das einzurichtende Risikofrüherkennungssystem eingehend charakterisiert worden ist, wird nunmehr deutlich, dass das geforderte Überwachungssystem die Einhaltung der einzuleitenden Maßnahmen zur Risikofrüherkennung sicherstellen und nicht dem Zweck umfassenderer Risikoüberwachungsmaßnahmen i. S.e. Risikobewältigung dienen soll. Ob es dieser expliziten Hervorhebung bedurft hätte, wird in der Literatur angezweifelt (vgl. DAV, ZIP 1997, S. 163 (166); Hüffer-AktG (2024), § 91, Rn. 10ff.), da dieser Organisationsanforderung durch Einrichtung entsprechender, klar formulierter Organisationsstandards genügt werden kann.
Rn. 111
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Die Auslegung der Hervorhebung im vorangestellten Sinne ergibt sich sowohl aus der Betrachtung der Entstehungsgeschichte der Norm als auch der RegB: Der RegE (ZIP 1996, S. 2129 (2131)) stellte dabei eine im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens verkürzte Version des RefE dar, in dem es noch hieß: "Dazu gehört auch die Einrichtung eines Überwachungssystems mit der Aufgabe, die Einhaltung der nach Satz 2 zu treffenden Maßnahmen zu überwachen." Kontrastierend etwa zur konzernweiten Anwendungsverpflichtung der Vorschrift fand diese Formulierung nicht Eingang in die RegB. Eine veränderte Intention des Gesetzgebers kann in diesem Zusammenhang nicht konstatiert werden (vgl. mit a. A. Hüffer, in: FS Imhoff (1998), S. 91 (103)), denn in der RegB wurde formuliert: "Als Ergebnis der Anhörungen ist die Bestimmung nicht in § 93, sondern in § 91 eingestellt worden, da die Überwachungspflicht Teil der Gesamtverantwortung des Vorstandes ist" (BT-Drs. 13/9712, S. 15). An gleicher Stelle wird deutlich, dass sich das Überwachungssystem auf die eingerichteten Maßnahmen bezieht, die für eine rechtzeitige Informationsvermittlung an den Vorstand sorgen sollen: "Die Maßnahmen interner Überwachung sollen so eingerichtet sein, daß solche Entwicklungen frühzeitig, also zu einem Zeitpunkt erkannt werden, in dem noch geeignete Maßnahmen zur Sicherung des Fortbestands der Gesellschaft ergriffen werden können" (BT-Drs. 13/9712, S. 15). Indem UN-seitig durch das Überwachungssystem die Funktionsfähigkeit der ergriffenen Organisationsmaßnahmen sichergestellt wird, leistet es einen zentralen Beitrag zur kontinuierlichen Aufgabenerfüllung.
Rn. 112
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Die RegB betont in diesem Zusammenhang die Rolle der internen Revision, der diese prozessunabhängige Überwachungsfunktion zugewiesen werden kann, welche fortlaufend Effektivität und Effizienz des Risikofrüherkennungsprozesses evaluieren soll (vgl. auch Kromschröder/Lück, DB 1998, S. 1573 (1575f.)). Prüfungshandlungen der internen Revision könnten etwa eine Beurteilung folgender Aspekte umfassen (vgl. Jacob, WPg 1998, S. 1043 (1046)):
- vollständige Erfassung aller Risikofelder,
- Angemessenheit der Vorstandsmaßnahmen im Bereich der Risikoerfassung und -kommunikation,
- Risikofrüherkennung als permanenter Prozess,
- Einhaltung installierter Kontrollen.
Rn. 113
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Die Einrichtung einer internen Revisionsabteilung wird durch § 91 Abs. 2 AktG jedoch nicht verbindlich vorgeschrieben. Andere Ausgestaltungsmaßnahmen der internen Überwachung sind als zulässig zu erachten (vgl. Gernoth, DStR 2001, S. 299 (300)). Eine Beauftragung UN-Externer – wie etwa WP oder Mitarbeiter anderer Konzern-UN – wird als zulässig erachtet. Der gewählte AP kommt jedoch ob der Unvereinbarkeit dieses Auftrags mit seinem gesetzlichen Prüfungsauftrag nicht in Be...