Dr. Robert Weber, Julia Sieber
Rn. 34
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Durch den Geschäftsführungsvertrag gemäß § 291 Abs. 1 Satz 2 AktG verpflichtet sich eine AG, KGaA oder SE, ihr ganzes UN für Rechnung eines anderen UN zu führen. Dadurch erzielt das verpflichtete UN keinen eigenen Gewinn mehr und wird zur Rentengesellschaft; seine Aktionäre erhalten nur noch einen vom Gewinn des UN unabhängigen Betrag (vgl. so Gessler, in: FS Ballerstedt (1975), S. 219 (223)).
Rn. 35
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Der Geschäftsführungsvertrag erfasst die gesamte geschäftliche Tätigkeit des UN. Nur wenn das UN keine Gegenleistung erhält, ist der Vertrag als UN-Vertrag i. S. d. § 291 Abs. 1 Satz 2 AktG zu qualifizieren (vgl. HB-GesR (2020/IV), § 72, Rn. 11f.). Zivilrechtlich handelt es sich bei dem Geschäftsführungsvertrag um einen Auftrag, der sich nach den §§ 662–674 BGB bestimmt. Lediglich § 665 BGB, der dem Auftraggeber ein Weisungsrecht einräumt, ist unanwendbar, weil ansonsten kein Geschäftsführungsvertrag, sondern ein BHV vorläge. Aus gesetzessystematischen Gründen muss der Geschäftsführungsvertrag klar vom BHV unterschieden werden, denn nur dieser gewährt gemäß § 308 AktG ein Weisungsrecht (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 182, 189; Emmerich/Habersack (2020), § 12, Rn. 22; MünchKomm. AktG (1976), § 291, Rn. 94; Hüffer-AktG (2022), § 291, Rn. 32; KK-AktG (2004), § 291, Rn. 87f.; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 120).
Rn. 36
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Abzugrenzen ist der Geschäftsführungsvertrag insbesondere vom GAV nach § 291 Abs. 1 Satz 1 (2. Alternative) AktG sowie Betriebsüberlassungsvertrag nach § 292 Abs. 1 Nr. 3 AktG. Die wirtschaftliche Wirkung ist beim GAV die gleiche wie beim Geschäftsführungsvertrag, nämlich die Abführung des gesamten Gewinns an das herrschende UN. Jedoch ist der Weg zur Gewinnabführung unterschiedlich: Beim Geschäftsführungsvertrag führt das UN die Geschäfte für fremde Rechnung, während es sie beim GAV weiterhin für sich führt (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 188; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 121). Das entscheidende Abgrenzungskriterium von Geschäftsführungs- und Betriebsüberlassungsvertrag ist indes umstritten. Nach der wohl h. M. kommt es darauf an, ob für die Geschäftsführung eine Gegenleistung erbracht wird, was folgerichtig ist, wenn man davon ausgeht, dass der Betriebsüberlassungsvertrag ein Entgelt voraussetzt (strittig; vgl. HdR-E, AktG § 292, Rn. 22), im Gegensatz – abgesehen von den §§ 302ff. AktG – zum Geschäftsführungsvertrag (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 191; Emmerich/Habersack (2020), § 12, Rn. 20; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 121). Das "Gegenteil" des Geschäftsführungsvertrags ist der Betriebsführungsvertrag, durch den sich ein UN verpflichtet, die Betriebe des anderen UN für dessen Rechnung zu betreiben (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 192).
Rn. 37
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Ein Geschäftsführungsvertrag kann auf zwei Arten ausgestaltet sein: Entweder führt das UN die Geschäfte im eigenen Namen, so dass der andere Vertragsteil gemäß § 667 BGB einen Anspruch auf das Ergebnis der geschäftlichen Tätigkeit hat und gemäß § 670 BGB verpflichtet ist, die Verluste des UN zu tragen, oder es führt die Geschäfte im Namen des anderen UN, welches dann die finanziellen Folgen der Geschäftstätigkeit unmittelbar treffen (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 175; Emmerich/Habersack (2020), § 12, Rn. 20; Hüffer-AktG (2022), § 291, Rn. 31; KK-AktG (2004), § 291, Rn. 83; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 117f.).