Prof. Dr. Karlheinz Küting, Dr. Michael Reuter
Rn. 156
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Durch die in § 272 Abs. 4 Satz 4 abschließend aufgezählten Auflösungsgründe für die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN knüpft die Vorschrift das Schicksal der Rücklage unmittelbar an das Schicksal der aktivierten Anteile (vgl. hierzu BilMoG-HB (2009), Kap. XII, S. 293 (311), m. w. N.). Die Rücklage darf danach nur aufgelöst werden, soweit die Anteile
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veräußert wurden, |
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ausgegeben wurden, |
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eingezogen wurden, oder |
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nach § 253 Abs. 3 oder 4 auf der Aktivseite ein niedrigerer Wert angesetzt wurde. |
In diesen Fällen besteht eine Auflösungspflicht. Der Grund für die Ausschüttungssperre, die Sicherung des gebundenen Vermögens, besteht nicht mehr, wenn die Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN nicht mehr im Besitz der Gesellschaft sind (vgl. auch Beck Bil-Komm. (2022), § 272 HGB, Rn. 310, m. w. N.; Zilias/Lanfermann, WPg 1980, S. 89 (93)). Bei grundloser Beibehaltung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN droht die Nichtigkeit des JA (vgl. auch WP-HB (2023), Rn. F 510).
Rn. 157
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Bilanztechnisch erfolgt die Auflösung der Rücklage grds. entsprechend ihrer Bildung, d. h., es muss sichergestellt sein, dass die für die Rücklage benötigten EK-Komponenten nach der Auflösung in den gleichen Kompetenzbereich fallen, aus dem sie zuvor entnommen wurden (vgl. mit a. A. ADS (1997), § 272, Rn. 203). Wurde die Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN aus einem Jahresüberschuss oder Gewinnvortrag gebildet, hat die Auflösung der Rücklage bei einer AG/KGaA/SE über die GuV gemäß § 158 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) AktG zu erfolgen. Damit ist sichergestellt, dass die zum Zeitpunkt der Bildung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN der Gewinnverwendungskompetenz der HV entzogenen Beträge (vgl. HdR-E, HGB § 272, Rn. 153) wieder in deren Verfügungsbereich zurückfallen. Erfolgte die Bildung der Rücklage für Anteile an einem herrschenden oder mehrheitlich beteiligten UN durch eine Umbuchung aus der Kap.-Rücklage bzw. den Gewinnrücklagen in der Bilanz, sollte der Auflösungsbetrag grds. in gleicher Weise (mit entsprechendem Vermerk) den Rücklagen wieder zugeführt werden (vgl. auch Beck Bil-Komm. (2022), § 272 HGB, Rn. 311). Eine Auflösung über die GuV würde in diesem Fall zu einer Beeinträchtigung der Gewinnverwendungskompetenz der Verwaltung führen, weil diese die frei werdenden Beträge aufgrund der gesetzlichen Systematik nicht wieder in die freien Rücklagen einstellen könnte (vgl. Zilias/Lanfermann, WPg 1980, S. 89 (94)).