Rn. 70

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Latente Steuern aufgrund von handels- und steuerrechtlichen Wertansatzdifferenzen werden in § 274 Abs. 1 Satz 1f. normiert. Das HGB wendet das bilanzorientierte Temporary-Konzept an (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 67; BT-Drs. 16/12407, S. 87). Damit liegt der Fokus der Steuerlatenzen auf einer zutreffenden Darstellung der Vermögenslage des UN (vgl. Bonner-HdR (2019), § 274 HGB, Rn. 21; Beck-HdR, B 235 (2016), Rn. 2, 37; HdJ, Abt. I/18 (2019), Rn. 22), wohingegen die Herstellung eines sinnvollen Zusammenhangs zwischen handelsrechtlichem Ergebnis vor Steuern und Steueraufwand (einschließlich latenter Steuereffekte) nicht Primäraufgabe ist (vgl. mit a. A. bspw. MünchKomm. HGB (2020), § 274, Rn. 2ff., 8). Da die Bildung und Auflösung von Differenzen sowie die Bilanzierung latenter Steuern grds. erfolgswirksam in der GuV abzubilden sind (Ausnahmen können bspw. i. V. m. Umwandlungen auftreten; vgl. HdR-E, HGB § 274, Rn. 480ff.), wird der zuletzt genannte Effekt gleichwohl zumindest partiell erreicht (vgl. MünchKomm. HGB (2020), § 274, Rn. 9).

 

Beispiel:

Latente Steuern als Instrument der zutreffenden Darstellung der Vermögenslage

Die X-AG wendet § 274 an. Zum BilSt weist die Gesellschaft auf der Aktivseite der Bilanz lediglich ein Grundstück mit einem handelsrechtlichen Buchwert von 500.000 EUR aus. Das EK der Gesellschaft beträgt ebenfalls 500.000 EUR. Weitere Bilanzpositionen bestehen nicht. Der steuerliche Wert des Grundstücks beläuft sich auf 300.000 EUR. Die X-AG unterliegt einer Ertragsteuerbelastung von 30 %.

Ohne latente Steuern wird ein handelsrechtliches Reinvermögen der X-AG von 500.000 EUR ausgewiesen. Dies ist jedoch unzutreffend, da bei der Realisation des handelsrechtlichen Buchwerts (z. B. durch Verkauf) steuerlich ein Gewinn von (500.000 ./. 300.000 =) 200.000 EUR entsteht und zu einer Steuerbelastung führt (200.000 × 30 % = 60.000 EUR). Dadurch kommt es zu einer Verminderung des Reinvermögens der X-AG.

Die gegenwärtige Darstellung der Vermögenslage in der HB weist ein zu hohes Reinvermögen aus. Auch Dispositionsüberlegungen hinsichtlich des Grundstücks aufgrund des handelsrechtlichen Buchwerts von 500.000 EUR (z. B. Verkauf über Buchwert) werden immer mit einem steuerlichen Realisationsergebnis konfrontiert sein, welches um 200.000 EUR über dem handelsrechtlichen liegt.

Um dieser Verzerrung entgegenzuwirken, sind auf die bestehende zu versteuernde temporäre Differenz passive latente Steuern i. H. v. 60.000 EUR zu bilden. In der HB stehen damit dem Grundstückswert von 500.000 EUR passive latente Steuern von 60.000 EUR und ein EK von 440.000 EUR gegenüber.

 

Rn. 71

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

§ 274 Abs. 1 Satz 1f. stellt auf Differenzen zwischen handelsrechtlichen und steuerlichen Wertansätzen von VG, Schulden und RAP ab, welche sich in späteren GJ voraussichtlich abbauen. Der Zeitpunkt der Differenzauflösung oder ihre Abhängigkeit von unternehmerischen Dispositionen ist hierbei unerheblich (Einbezug von quasi-permanenten Differenzen). Weiterhin spielt es keine Rolle, ob die Differenzen aus abweichenden Ansatz- oder Bewertungsvorschriften resultieren (vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 67; BilR-Komm. (2020), § 274 HGB, Rn. 14). Differenzen, welche bei ihrer zukünftigen Auflösung zu einer erwarteten Steuermehrbelastung führen (zu versteuernde temporäre Differenzen) bilden die Grundlage für passive latente Steuern. Differenzen, welche bei ihrer zukünftigen Auflösung zu einer erwarteten Steuerminderbelastung führen (abzugsfähige temporäre Differenzen) sind der Ausgangspunkt für aktive latente Steuern.

 

Rn. 72

Stand: EL 37 – ET: 09/2022

Nicht einzubeziehen sind hingegen permanente Differenzen, mithin unterschiedliche Wertansätze, welche sich in der Zukunft zwar auflösen, hieraus jedoch keine Steuerwirkung resultiert. Dies ist v.a. der Fall, wenn ein Aufwand respektive eine BA aus dem Differenzabbau steuerlich nicht abzugsfähig bzw. ein Ertrag als steuerfreie Betriebseinnahme zu behandeln ist.

 

Beispiel:

Permanente Differenzen i. V. m. § 8b KStG

Die X-AG wendet § 274 an und ist zu 100 % an der Y-GmbH beteiligt. In der HB der X-AG wird die Beteiligung an der Y-GmbH mit einem Buchwert von 300.000 EUR ausgewiesen. Der steuerliche Wert der Beteiligung beträgt hingegen:

(1) Alternative (a): 500.000 EUR
(2) Alternative (b): 250.000 EUR

Alternative (a):

Es liegt eine (negative) Differenz von (300.000 ./. 500.000 =) (–) 200.000 EUR vor. Hierbei handelt es sich um eine bilanzielle Differenz, da bei Realisation des handelsrechtlichen Werts von 300.000 EUR steuerlich ein Verlust von 200.000 EUR entsteht. Allerdings sind Verluste i. V. m. Beteiligungen an KapG gemäß (§ 7 Satz 1 GewStG i. V. m.) § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG steuerlich nicht zu berücksichtigen (außerbilanzielle Hinzurechnung von 200.000 EUR). Die Differenzauflösung hat daher keinen Einfluss auf die steuerliche Bemessungsgrundlage.

Alternative (b):

Es liegt eine Differenz von (300.000 ./. 250.000 =) 50.000 EUR vor. Hierbei handelt es sich um eine bilanziell...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Küting, Handbuch der Rechnungslegung - Einzelabschluss (Schäffer-Poeschel) enthalten. Sie wollen mehr?