Prof. Dr. Michael Dusemond, Dr. h.c. Armin Pfirmann
Rn. 110
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Nach § 253 Abs. 2 Satz 1 sind Rückstellungen mit einer (Rest-)Laufzeit von mehr als einem Jahr abzuzinsen. Die Abzinsung hat auf der Grundlage des durchschnittlichen Marktzinssatzes der vergangenen sieben GJ (bei Rückstellungen für Altersversorgungsverpflichtungen der vergangenen zehn GJ) unter Berücksichtigung der Restlaufzeit der Rückstellungen bzw. der diesen zugrunde liegenden Verpflichtungen zu erfolgen. Die Abzinsung bezweckt eine den tatsächlichen Verhältnissen entsprechende Darstellung der VFE-Lage i. S.e. realitätsgerechten Informationsvermittlung für den Abschlussadressaten über die wahre Belastung eines UN. Die in den Rückstellungen gebundenen Finanzmittel können investiert werden, woraus zukünftig Erträge resultieren, mit denen der erwartete Erfüllungsbetrag der Rückstellung amortisiert werden kann.
Rn. 111
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Rückstellungen sind dadurch charakterisiert, dass i. d. R. weder der Erfüllungsbetrag noch der Fälligkeitszeitpunkt feststeht. Deshalb ist zur Festlegung der Restlaufzeit auf den Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme aus der Verpflichtung abzustellen (vgl. Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 180). Der betreffende Zeitraum zwischen BilSt und dem Zeitpunkt der voraussichtlichen Inanspruchnahme ist bereits bei der Ermittlung des Nominalbetrags der Verpflichtung unter Berücksichtigung von Preis- und Kostensteigerungen festzulegen und bestimmt somit auch die erforderliche Abzinsung des Nominalbetrags sowie die Höhe des Abzinsungssatzes (vgl. IDW RS HFA 34 (2015), Rn. 36).
Rn. 112
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Für den erstmaligen Ansatz einer Rückstellung macht der Gesetzgeber keine eindeutige Vorgabe, ob die Rückstellung zum Barwert (Nettomethode) oder zum Nominalbetrag (Bruttomethode) zu bewerten ist. Bei der Nettomethode ist eine Rückstellung bei der erstmaligen Passivierung ohne die Buchung eines Zinsertrags in Höhe des nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrags der Verpflichtung anzusetzen, d. h. mit dem abgezinsten, künftige Preis- und Kostenverhältnisse berücksichtigenden Nominalbetrag der Verpflichtung. Für diese Vorgehensweise spricht der Wortlaut des § 253 Abs. 2 Satz 1, der als Wertmaßstab den Erfüllungsbetrag nennt, der gerade den abgezinsten Nominalbetrag der Verpflichtung darstellt (vgl. IDW RS HFA 34 (2015), Rn. 17). Zudem führt die Anwendung der Nettomethode zu einer sachgerechteren Darstellung der GuV, indem im operativen Ergebnis nur der wirtschaftlich verursachte Aufwand (ohne Zinsbestandteil) ausgewiesen wird. Vor dem Hintergrund des § 277 Abs. 5, wonach Erträge aus der Abzinsung in der GuV gesondert unter der Position "Sonstige Zinsen und ähnliche Erträge" auszuweisen sind, ist die Bruttomethode jedoch nicht zu beanstanden (vgl. mit a. A. IDW RS HFA 34 (2015), Rn. 11, wonach allein die Nettomethode als zulässig angesehen wird). In der Praxis ist die Bruttomethode jedoch unüblich, u. a. wegen der daraus resultierenden negativen Effekte auf das EBIT im GJ der Rückstellungsbildung (vgl. auch HdR-E, HGB § 277, Rn. 145ff., ausschließlich die Nettomethode vertretend).
Rn. 113
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
Für Rückstellungen mit einer (Rest-)Laufzeit von einem Jahr und weniger gilt im Umkehrschluss zu § 253 Abs. 2 Satz 1 keine Abzinsungspflicht. Somit kann grds. ein Wahlrecht oder ein Verbot bestehen. Für ein Verbot besteht nach hier vertretener Ansicht jedoch kein Raum (vgl. ebenso Beck Bil-Komm. (2020), § 253 HGB, Rn. 180). So erstreckt sich die Abzinsungspflicht v.a. aufgrund einer Unwesentlichkeitsvermutung nicht auf kurzfristige Rückstellungen. Ein Abzinsungswahlrecht – also eine Abzinsung kurzfristiger Rückstellungen zumindest zuzulassen – geht zudem mit dem Ziel für die Einführung einer Abzinsungspflicht konform, die gebundenen Mittel ertragsbringend anlegen und damit den Erfüllungsbetrag teilamortisieren zu können (vgl. im Ergebnis ebenso IDW RS HFA 34 (2015), Rn. 44). Wird von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht, ist der benötigte Abzinsungszinssatz so zu ermitteln, dass den Anforderungen der Rückstellungsabzinsungsverordnung (RückAbzinsV) vom 18.11.2009 ((BGBl. I 2009, S. 3790f.), zuletzt geändert durch Art. 9 des Gesetzes zur Umsetzung der Wohnimmobilienkreditrichtlinie und zur Änderung handelsrechtlicher Vorschriften vom 11.03.2016 (BGBl. I 2016, S. 396ff.)) entsprochen wird, sofern nicht alternativ der Abzinsungszinssatz für eine einjährige Restlaufzeit angewandt wird (vgl. IDW RS HFA 34 (2015), Rn. 42, 44).
Bei Restlaufzeiten von mehr als 50 Jahren kann aus Wesentlichkeitsgründen der Abzinsungssatz für eine 50-jährige Restlaufzeit herangezogen werden (vgl. IDW RS HFA 34 (2015), Rn. 45).
Vgl. weitergehend zu Einzelheiten der Abzinsung von Rückstellungen HdR-E, HGB § 249, Rn. 329ff.
Rn. 114
Stand: EL 30 – ET: 5/2020
In der StB sind Rückstellungen für Verpflichtungen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a lit. e) EStG grds. mit einem Zinssatz von 5,5 % abzuzinsen (vgl. kritisch zur Höhe des Abzinsungssatzes FG...