Dr. Wolfgang Knop, Dr. Peter Küting
Rn. 20
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Die Einordnung als kleine bzw. mittelgroße KapG bzw. haftungsbeschränkte PersG i. S. d. § 264a führt u. a. im Vergleich zu einer großen KapG bzw. PersG i. S. d. § 264a zu einem verminderten Publizitätserfordernis und insbesondere bei kleinen KapG bzw. PersG i. S. d. § 264a zur Aufhebung der Prüfungspflicht (vgl. §§ 326f.; überdies HdR-E, HGB § 316, Rn. 2ff.; Muraz, WPg 2016, S. 1023 (1024ff.)). Sind KapG bzw. PersG i. S. d. § 264a jedoch kap.-marktorientiert (vgl. HdR-E, HGB § 264d, Rn. 2ff.), so gelten sie in jedem Fall als groß (vgl. § 267 Abs. 3 Satz 2). Solch eine Klassifizierung hängt jedoch nicht nur davon ab, ob EK-Anteile an einem regulierten Markt gehandelt werden bzw. die Zulassung hierfür beantragt ist. Das wäre letztlich nach derzeitigem Recht lediglich für eine AG, KGaA bzw. SE denkbar; vielmehr stellt der Wortlaut des § 264d, auf den § 267 Abs. 3 Satz 2 explizit verweist, eindeutig auf jedwede Art von Wertpapieren (i. S. d. § 2 Abs. 1 WpHG) ab, die an einem organisierten Markt i. S. d. § 2 Abs. 11 WpHG gehandelt werden bzw. für die eine entsprechende Zulassung bereits beantragt ist. Demnach gilt eine KapG bzw. PersG i. S. d. § 264a bereits dann als groß, sofern von ihr wertpapierrechtlich verbriefte Anleihen an einem organisierten, staatlich überwachten Markt (= Börse) gehandelt werden oder die Zulassung zum Handel beantragt ist; hiervon definitionsgemäß explizit ausgenommen ist der privatrechtlich organisierte Freiverkehr (vgl. Zwirner, KoR 2010, S. 1). Im Hinblick auf das europäische Harmonisierungsbestreben gilt dies indes keineswegs nur für deutsche Kap.-Marktnotierungen, sondern auch für Notierungen an Börsen in anderen Mitgliedstaaten der EU bzw. des EWR. Dies ist auch insoweit einsichtig, als diese größenabhängige Klassifizierung letztlich dem Schutz der Kap.-Geber dienen soll, die als Anlageweg den anonymen Kap.-Markt zwecks Anlage von Finanzmitteln gewählt haben. Der Tatbestand einer Kap.-Marktnotierung ist letztlich als ein Indiz für die u. a. mit dem geltenden Bilanzrecht intendierten verstärkten Informationsanforderungen anzusehen, die von KapG bzw. denen gleichgestellten haftungsbeschränkten PersG i. S. d. § 264a gefordert werden. Die Loslösung von Größenkriterien und die Schaffung einheitlicher RL- sowie Prüfungs- und Publizitätspflichten für alle das Kriterium der Kap.-Marktnotierung erfüllenden UN ist von daher – trotz expliziten Exkludierens von Notierungen im Freiverkehr – uneingeschränkt als Vereinheitlichung der RL sowie als Begründung der Chancengleichheit für alle betroffenen UN und Kap.-Anleger zu befürworten. Eine kap.-marktorientierte KapG bzw. PersG i. S. d. § 264a kann expressis verbis keine Kleinst-KapG i. S. d. § 267a Abs. 1 sein, da eine solche nach § 264d stets als groß i. S. v. § 267 zu qualifizieren ist (vgl. BeckOGK-HGB (2023), § 267, Rn. 11, 21f.).
Rn. 21
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Wie schon unmittelbar zuvor angedeutet, sind die Vorschriften für große KapG bzw. PersG i. S. d. § 264a nicht erst mit Kap.-Marktnotierung bzw. der tatsächlichen Zulassung, sondern bereits mit dem Antrag auf Zulassung zum Handel an einem organisierten Markt anzuwenden (vgl. auch HB-BilMoG (2010), Kap. 2/1/3, S. 145 (147)). Da mit dieser Antragstellung das besondere Informationsinteresse potenzieller Kap.-Anleger begründet wird (vgl. BT-Drs. 15/3419, S. 35) und das antragstellende UN letztlich mit UN, die bereits den Kap.-Markt in Anspruch nehmen, um die Kap.-Anleger konkurriert, ist der Zeitpunkt der Antragstellung – auch wenn die Zeitspanne zwischen Antragstellung und tatsächlicher Handelsaufnahme in praxi regelmäßig vernachlässigbar kurz ist (vgl. HGB-HandKomm. (2024), § 315e, Rn. 25) – letztlich als Übergangskriterium von der Kategorisierung in einzelne Größenklassen hin zum Kriterium der Kap.-Marktorientierung zu begrüßen.
Rn. 21a
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Dem mit § 267 Abs. 3 Satz 2 verfolgten Anlegerschutzgedanken folgend, treten die für große KapG bzw. PersG i. S. d. § 264a einschlägigen Rechtsfolgen bereits unmittelbar am ersten BilSt ein, an dem der Tatbestand der Kap.-Marktorientierung (Listing) erfüllt ist (vgl. auch Bonner HGB-Komm. (2023), § 267, Rn. 52). Dagegen ist ein solcher Schutzzweck im Falle eines Delisting nicht erkennbar, weshalb sich nach hier vertretener Ansicht dann auch die Rechtsfolgen insoweit wieder nach der allg.-gültigen "Zwei-Jahres-Regel" zu richten hätten (vgl. ebenso Bonner-HdR (2018), § 267 HGB, Rn. 35.5f.; dagegen auch bei Wegfall der Inanspruchnahme eines organisierten Markts für eine symmetrische Rechtsfolgenbestimmung plädierend HGB-PraxisKomm. (2020), § 267, Rn. 29; MünchKomm. HGB (2024), § 267, Rn. 21; Beck Bil-Komm. (2022), § 267 HGB, Rn. 4; sodann Nemet/Zilich, WPg 2016, S. 843 (845f.)).