Prof. Paul Scharpf, Dr. Joachim Brixner
Rn. 404
Stand: EL 27 – ET: 04/2018
Im Zuge der Umsetzung des BilMoG – insbesondere im Kontext der Einführung des § 254 zur Bilanzierung von Bewertungseinheiten – stellte sich u. a. die Frage, ob und wie die Geschäfte des Bankbuchs – deren Absicherung meist auf Nettobasis erfolgt (früher von Banken häufig als Macro-Hedge bezeichnet) – mit Inkrafttreten des BilMoG zu bewerten und einzuordnen sind. Die Forderungen, verzinsliche Wertpapiere und Verbindlichkeiten wurden vormals einschließlich der Zinsderivate des Bankbuchs aufgrund einer sog. "Bilanzierungskonvention" nicht zinsinduziert bewertet (die nachfolgenden Ausführungen sind entlehnt an Scharpf/Schaber (2018), S. 145ff. sowie Scharpf/Schaber, DB 2011, S. 2045ff., jeweils m. w. N.). Einzelfragen zur verlustfreien Bewertung regelt IDW RS BFA 3 (2017).
Es zeigte sich, dass für die Bilanzierung des Bankbuchs die Norm des § 254 nicht sachgerecht ist, da es sich bei der verlustfreien Bewertung des Bankbuchs um die Bewertung schwebender Geschäfte in Bezug auf das Zinsspannenrisiko handelt. Die verlustfreie Bewertung und damit die Ermittlung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften knüpfen dabei nach § 249 Abs. 1 an zwei grundlegende Tatbestände an:
(1) |
das Vorliegen von schwebenden Geschäften sowie |
(2) |
ein aus den schwebenden Geschäften drohender Verlust. |
Seitens des BFA wurde daher zutreffend festgestellt, dass § 254 ungeeignet ist, das Zinsänderungsrisiko (in Form des Zinsspannenrisikos) des Bankbuchs sachgerecht abzubilden (vgl. IDW, FN-IDW 2010, S. 578f.). Vor diesem Hintergrund hat sich die Fachwelt und die Bilanzierungspraxis mit diesem Fragenkomplex befasst und ist zum Ergebnis gekommen, dass das Bankbuch verlustfrei zu bewerten ist: Soweit die Erträge aus dem Bankbuch die dadurch verursachten Aufwendungen nicht mehr decken, ist der Verlustüberhang aufgrund des Imparitätsprinzips durch eine Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften zu antizipieren (vgl. ausführlich dazu Scharpf/Schaber (2018), S. 145ff.; Jessen/Haaker/Briesemeister, KoR 2011, S. 313ff., 359ff.). Forderungen und Verbindlichkeiten sind hinsichtlich der Nutzungsüberlassung von Kap. schwebende Geschäfte. Wirtschaftlich erbringt auch der Gläubiger einer Schuldverschreibung (Wertpapier) mit der zeitweiligen Überlassung des Kap. eine zusätzliche Dauerleistung, für die er eine nach Zeitabschnitten bemessene Vergütung empfängt. Mithin hat auch eine Schuldverschreibung wirtschaftlich gesehen die Grundzüge eines Dauernutzungsverhältnisses. Bei Wertpapieren wird das Zinsrisiko bezogen auf das Einzelgeschäft in Form von Niederstwertabschreibungen zwar bilanziell erfasst, das so erfasste "Zinsrisiko steht aber in keiner systematischen Beziehung zum Gesamtzinsänderungsrisiko" (Jessen/Haaker/Briesemeister, KoR 2011, S. 313 (315)) in seiner Ausprägung als Zinsspannenrisiko. Ergo sind auch verzinsliche Wertpapiere in die verlustfreie Bewertung des Bankbuchs mit einzubeziehen.