Prof. Dr. Eberhard Kalbfleisch, Prof. Dr. Sascha Mölls
Rn. 4
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Gemäß § 293a Abs. 1 Satz 1 AktG sind die Vorstände von beteiligten AG/KGaA/SE berichtspflichtig, soweit zum Abschluss des UN-Vertrags die Zustimmung der HV erforderlich ist.
§ 293a AktG kommt also zur Anwendung, wenn ein UN-Vertrag abgeschlossen werden soll. Der Gesetzgeber hatte bei der Schaffung der §§ 293aff. AktG die Vorstellung, dass die Verschmelzung und die Begründung eines Vertragskonzerns wirtschaftlich i.W. austauschbare rechtliche Instrumente sind, um dasselbe wirtschaftliche Ziel zu erreichen (vgl. HdR-E, AktG § 293a, Rn. 1). Dem berechtigten Informationsbedürfnis der Aktionäre sollte durch die Übertragung der Berichtspflicht und -prüfung auf das UN-Vertragsrecht Rechnung getragen werden. Die grds. Annahme des Gesetzgebers, dass der Abschluss von UN-Verträgen mit Verschmelzungen vergleichbar ist, ist gleichwohl angreifbar und hat zu vernehmlicher Kritik an der Konzeption der Regelungen insgesamt geführt (vgl. HdR-E, AktG § 293a, Rn. 3). Dies kommt insbesondere bei der Bestimmung des Anwendungsbereichs des § 293a AktG zum Tragen.
Auch wenn in den Fällen des Abschlusses von BHV und GAV nach § 291 AktG die Motivation für den Vertragsabschluss häufig derjenigen für eine Verschmelzung ähnlich sein mag, so können aber jedenfalls die UN-Verträge i. S. d. § 292 AktG nicht mit der Verschmelzung zweier UN verglichen werden. Bei den Verträgen nach § 292 AktG muss die Gesellschaft nämlich im Gegenzug für die von ihr erbrachte Leistung ein angemessenes Entgelt erhalten. Die anderen Verträge gemäß § 292 AktG werden ihrer Konzeption nach insofern wie normale schuldrechtliche Austauschverträge der AG, KGaA oder SE behandelt (vgl. KonzernR (2019), § 293a AktG, Rn. 7). Außerdem soll sich schon aus der Formulierung der §§ 293a, 293b und 293c AktG ergeben, dass der Gesetzgeber nur die UN-Verträge i. S. d. § 291 AktG vor Augen gehabt habe, weil die Anwendung der Vorschriften auf alle Arten von UN-Verträgen teilweise unsinnige Folgen hätte (vgl. Altmeppen, ZIP 1998, S. 1853 (1854)). Deswegen sowie mit Rücksicht auf die Tatsache, dass der Gesetzgeber bei der Schaffung jener Regelung eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit vorausgesetzt hat, wird daher z. T. die Meinung vertreten, dass der Begriff "Unternehmensvertrag" in § 293a Abs. 1 AktG im Wege einer teleologischen Reduktion auf die UN-Verträge beschränkt werden muss, deren Zielsetzung typischerweise mehr oder weniger günstig auch durch eine Verschmelzung hätte erreicht werden können (vgl. Bungert, DB 1995, S. 1384 (1386); Altmeppen, ZIP 1998, S. 1853 (1856)).
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Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Dem kann indes nach hier vertretener Ansicht angesichts des insofern eindeutigen Wortlauts des § 293a AktG nicht gefolgt werden. Auch unter Berücksichtigung des bestehenden Zeitdrucks, unter dem häufig auch komplizierte Lebenssachverhalte einer gesetzlichen Regelung zugeführt werden müssen (dies führt Altmeppen (ZIP 1998, S. 1853 (1856)) als Erklärung an), ist davon auszugehen, dass die Verwendung legaldefinierter Begriffe in neu geschaffenen Normen desselben Gesetzes keine abweichende inhaltliche Ausformung erlangen soll, es sei denn, dies wäre im Wortlaut der Vorschrift ausdrücklich niedergelegt. Da die §§ 291 Abs. 1, 292 Abs. 1 AktG ausdrücklich und abschließend definieren, welche Vertragstypen als UN-Verträge im aktienrechtlichen Sinne anzusehen sind, und die §§ 293aff. AktG ohne Weiteres diesen Begriff verwenden, ist davon auszugehen, dass dieser Begriff i. R.d. Regelung der Vertragsberichterstattung und -prüfung denselben Inhalt besitzen soll wie in den §§ 291f. AktG definiert. Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass die Bestimmungen der §§ 293aff. AktG alle Arten von UN-Verträgen erfassen (vgl. ebenso Hüffer-AktG (2022), § 293a, Rn. 7; KonzernR (2019), § 293a AktG, Rn. 7; für den TGAV LG München (I), Urteil vom 05.11.2009, 5 HKO 13 585/09, BeckRS 2010, 3716).