Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Tobias Brembt
Rn. 8
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Die gesetzlichen Vertreter einer prüfungspflichtigen KapG haben den JA und den Lagebericht sowie ggf. den gesonderten nichtfinanziellen Bericht nach deren Aufstellung unverzüglich dem AP vorzulegen (vgl. § 320 Abs. 1 Satz 1). "Unverzüglich" bedeutet ohne schuldhaftes Zögern (vgl. § 121 Abs. 1 BGB). Mit dieser Vorschrift soll der AP in die Lage versetzt werden, JA und Lagebericht unmittelbar nach der Aufstellung zu prüfen. Bezüglich der ESEF-Unterlagen wird im Gesetzestext nicht gefordert, dass diese ebenfalls unverzüglich vorzulegen sind. Allerdings ist nicht zu erkennen, warum dies nicht auch analog für diese Unterlagen zu gelten hat, v.a. deshalb, weil ohne diese Unterlagen kein BV erteilt werden kann. Hintergrund ist, dass im BV z. B. durch die Wiedergabe des Hash-Wertes der ESEF-Datei ein eindeutiger technischer Bezug zu den ESEF-Unterlagen hergestellt wird. Auf die Nennung des Hash-Wertes kann verzichtet werden, sofern durch den AP der BV im PDF/A-3-Format mit bereits eingebetteter ESEF-Datei bereitgestellt und dieser qualifiziert elektronisch signiert wird (vgl. IDW PS 410 (2021), Rn. A44).
Rn. 9
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Der JA und Lagebericht gelten als aufgestellt, wenn sie in der Form vorgelegt werden, dass sie festgestellt werden könnten, sofern keine Prüfung erforderlich wäre (vgl. Staub: HGB (2010), § 320, Rn. 4). Dabei müssen die Leitungsgremien alle Vorgaben kritisch auf Vollständigkeit und Richtigkeit geprüft und dafür gesorgt haben, dass alle Entscheidungen hinsichtlich der Bewertungs- und sonstigen Ermessensspielräume getroffen sind (vgl. OLG Köln, Urteil vom 01.07.1992, 11 U 11/92, BB 1992, S. 2108). Diese Forderung ist indes nicht gleichbedeutend damit, dass der dem AP zu Beginn seiner Prüfung vorgelegte Abschluss nicht mehr geändert werden darf. Um den zunehmenden Anforderungen an die externe RL gerecht zu werden sowie eine kurzfristige Veröffentlichung von JA und KA zu ermöglichen, wird es als zulässig angesehen, dass Teile der Aufstellung des JA und der AP zeitlich parallel ablaufen und der JA erst mit Ende der AP, d. h. nach der Schlussbesprechung, als aufgestellt i. S. v. "fertiggestellt" gilt (vgl. ADS (2000), § 320, Rn. 13f.; Beck Bil-Komm. (2020), § 320 HGB, Rn. 5). Dieses Vorgehen ist durch die Vorschrift des § 320 Abs. 2 Satz 2 gedeckt, die dem AP sowohl das Prüfungs- und Einsichtsrecht als auch das Auskunftsrecht bereits vor Aufstellung des JA einräumt. Diese Handhabung darf allerdings nicht dazu führen, dass der AP den JA oder Teile von diesem erstellt (vgl. § 319 Abs. 3 Nr. 3 lit. a)).
Rn. 9a
Stand: EL 35 – ET: 03/2022
Mit dem ESEF-UG wurde Abs. 1 um Satz 3 erweitert. Die Vorschrift in Satz 3 bezieht sich auf die Pflicht von KapG, die als Inlandsemittenten (i. S. d. § 2 Abs. 14 WpHG) Wertpapiere begeben und keine KapG i. S. d. § 327a sind, ihren JA und KA sowie Lage- und Konzernlagebericht in einem einheitlichen elektronischen Berichtsformat (ESEF) offenlegen zu müssen. Entsprechend erweitert sich die Vorlage- und Auskunftspflicht der gesetzlichen Vertreter eines WpHG-Inlandsemittenten auf die elektronische Wiedergabe von Abschluss und Lagebericht (vgl. IDW PS 410 (2021), Rn. 12f.; Baumbach/Hopt (2022), § 320 HGB, Rn. 1; BT-Drs. 19/17343, S. 21). I.d.S. besteht die Zielsetzung der Prüfung jener ESEF-Dateien darin, die Konformität mit den Vorgaben des § 328 Abs. 1 zu bestätigen und festzustellen bzw. sich ein Prüfungsurteil darüber zu bilden, ob die ESEF-Dateien mit den menschenlesbaren Versionen der Abschlüsse und Lageberichte übereinstimmen (vgl. ebenso Ruhnke/Schmidt, WPg 2021, S. 275 (277); IDW PS 410 (2021), Rn. 14, 33). Aufgrund der Prüfung hinsichtlich der Identität von elektronischen und menschenlesbaren Versionen wird bzw. dürfte die elektronische Version – anders als beim JA selbst – regelmäßig erst ganz zum Ende des Aufstellungsprozesses von menschenlesbarer und elektronischer Version vorgelegt werden.