Dr. Robert Weber, Julia Sieber
Tz. 31
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Die Haftung des § 93 AktG bezieht sich auf alle Vorstandsmitglieder. Neben ordentlichen Vorstandsmitgliedern haften auch Stellvertreter von Vorstandsmitgliedern (vgl. §§ 94 und 105 Abs. 2 AktG) sowie gerichtlich bestellte Vorstandsmitglieder (vgl. § 85 AktG) oder Arbeitsdirektoren. Die Haftung trifft in vollem Umfang auch Vorstandsmitglieder, die alleinige Gesellschafter sind (vgl. AktG-GroßKomm. (2015), § 93, Rn. 344, 366; Hüffer-AktG (2022), § 93, Rn. 72ff.). Sie beruht auf der Organstellung und setzt daher keinen wirksamen Anstellungsvertrag voraus. Sie beginnt zwar grds. mit der Bestellung des Vorstandsmitglieds (vgl. § 84 Abs. 1 Satz 1 AktG). Eine wirksame Bestellung ist allerdings nicht Voraussetzung für die Haftung. Ist eine Bestellung zwar erfolgt, aber nicht wirksam, so ist allg. anerkannt, dass für eine Haftung die Aufnahme und Ausübung der Tätigkeit genügen. Umstritten ist, ob eine Haftung auch dann eintritt, wenn es an einem Bestellungsakt gänzlich fehlt. Die besseren Argumente sprechen dafür, in diesen Fällen eine Haftung jedenfalls dann zuzulassen, wenn die Tätigkeit mit Kenntnis des AR erfolgt. Es ist schwer einzusehen, warum derjenige, der ein Vorstandsamt tatsächlich und mit Kenntnis der Gesellschaft übernimmt und ausübt, für einen Verstoß gegen die mit diesem Amt verbundenen Pflichten nur deshalb nicht wie ein Vorstandsmitglied haften soll, weil es an einem formalen Bestellungsakt fehlt (vgl. so im Ergebnis auch MünchKomm. AktG (2019), § 93, Rn. 15; AktG-GroßKomm. (2015), § 93, Rn. 362ff.; MünchKomm. AktG (1973), § 93, Rn. 8; ferner BGH, Urteil vom 06.04.1964, II ZR 75/62, BGHZ 41, S. 282 (287); Hüffer-AktG (2022), § 93, Rn. 72ff.). Dementsprechend endet die Haftung nicht schon mit der formellen Beendigung der Bestellung, sondern erst dann, wenn das Vorstandsmitglied tatsächlich das Amt nicht mehr ausübt (vgl. BGH, Urteil vom 06.04.1964, II ZR 75/62, BGHZ 41, S. 282 (287); OLG Celle, Urteil vom 06.05.2015, 9 U 173/14, BeckRS 2015, 129 272 (dortige Rn. 19f.); Hölters-AktG (2022), § 93, Rn. 214f.). Die Haftung besteht bereits im Gründungsstadium der Gesellschaft, sofern nicht § 48 AktG für die Verletzung gründungsspezifischer Pflichten eingreift (vgl. MünchKomm. AktG (1973), § 93, Rn. 8; Hölters-AktG (2022), § 93, Rn. 216). Das Haftungsrisiko kann über eine D&O-Versicherung zumindest verringert werden. Diese wird regelmäßig auch für AR-Mitglieder abgeschlossen. Soweit die Haftung des AR zu versichern ist, wird vertreten, dass die Kostenübernahme durch die Gesellschaft eine Nebenleistung und damit Vergütungsbestandteil ist und deshalb entweder von der Satzung oder durch einen zustimmenden Beschluss der HV nach § 113 AktG gedeckt sein muss. Dies ist allerdings mit der überzeugenden h. M. abzulehnen (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 113, Rn. 7; zur D&O-Versicherung des Vorstands wird auf HdR-E, AktG § 93, Rn. 43ff., verwiesen).