Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Dr. Dirk Fey
Rn. 28
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Das Aktivierungswahlrecht des § 248 Abs. 2 Satz 1 kommt nur für immaterielle VG des AV in Frage, die selbst erstellt wurden. Erworbene immaterielle VG des AV sind indes aufgrund des Vollständigkeitsprinzips gemäß § 246 Abs. 1 Satz 1 grds. zu aktivieren. Dementsprechend sind Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten und vergleichbare immaterielle VG des AV ebenfalls zu aktivieren, wenn sie die für die abstrakte Aktivierungsfähigkeit erforderliche Qualifikation als VG aufweisen und erworben wurden. Daher sind immaterielle VG des AV, die (entgeltlich oder auch unentgeltlich; vgl. HdR-E, HGB § 248, Rn. 32) erworben wurden von selbst geschaffenen immateriellen VG abzugrenzen.
Rn. 29
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Die Abgrenzung zwischen einem Anschaffungs- und Herstellungsvorgang kann sich im Einzelfall schwierig gestalten. Das Problem stellt sich sowohl bei der Auftragsfertigung unter erheblicher Einflussnahme auf den Erstellungsprozess bzw. bei Beistellung eigener Ressourcen des Auftraggebers als auch bei zwar zweifelsfreiem Erwerb eines immateriellen VG von einem Dritten, der aber zu seiner Verwendbarkeit beim Erwerber noch erheblicher Anpassungsmaßnahmen bedarf. Die Lösung hat sich an dem Gehalt der getroffenen Vereinbarungen, der Einflussnahme des Auftraggebers sowie der Funktion der von den Parteien bei der Einführung des Gegenstands im UN des Auftraggebers geleisteten Beiträge zu orientieren. So kann sich z. B. wirtschaftlich unter Berücksichtigung des vertraglichen Fertigstellungs- und Preisrisikos durch die Einflussnahme und/oder Beistellung eigener Ressourcen des Auftraggebers der Beschaffungsvorgang von einem Erwerb, also Kauf oder Werkvertrag, zu einem Herstellungsvorgang (vgl. ADS (1998), § 248, Rn. 22; zudem DRS 24.28, sowie BFH, Urteil vom 02.09.1988, III R 53/84, BStBl. II 1988, S. 1009 (1010): "Im Unterschied zur Anschaffung [...] liegt eine Herstellung [...] vor, wenn der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut auf eigene Rechnung und Gefahr herstellt oder herstellen läßt und das Herstellungsgeschehen beherrscht."), wandeln. Die Trennlinie zwischen Erwerb und Selbsterstellung wird also durch die Einflussnahme auf die Planung und Gestaltung (vgl. DRS 24.27) sowie die Übernahme des wirtschaftlichen Fertigstellungs- und Preisrisikos bestimmt (vgl. zur Abgrenzung von Anschaffungsnebenkosten auch HdR-E, HGB § 248, Rn. 23). Bei ERP-Software liegt z. B. ein Herstellungsvorgang nur dann vor, wenn Veränderungen an einer neuen Individualsoftware durch eigenes fachlich ausgebildetes Personal oder i. R.e. Dienstvertrages durchgeführt werden und das Herstellerrisiko vom Softwareanwender selbst getragen wird (vgl. IDW RS HFA 11 (2017), Rn. 9; sodann HdR-E, HGB § 248, Rn. 22ff., ebenso wie BMF, Schreiben vom 18.11.2005, IV B 2 – S 2172–37/05, BStBl. I 2005, S. 1025). Modifikationen, d. h. Erweiterungen oder wesentliche Verbesserungen über den ursprünglichen Zustand hinaus, an einem bereits betriebsbereiten immateriellen VG beeinflussen nach Ansicht des DRSC hingegen – unabhängig davon, wer das Risiko trägt – die Einordnung als Anschaffungs- oder Herstellungsvorgang nicht (vgl. DRS 24.31; IDW RS HFA 11 (2017), Rn. 16; HdR-E, HGB § 248, Rn. 20). Aufwendungen für die Modifikation eines aktivierten selbst geschaffenen immateriellen VG des AV sind dementsprechend ebenfalls zu aktivieren und vice versa (vgl. DRS 24.33). Kontrastierend dazu entsteht bei einer Wesensänderung ein neuer immaterieller VG, für den eine eigenständige Einordnung vorzunehmen ist (vgl. DRS 24.31; IDW RS HFA 11 (2017), Rn. 14; Bonner HGB-Komm. (2016), § 248, Rn. 53). Sofern nicht zweifelsfrei ermittelt werden kann, ob die Aufwendungen zu einer Modifikation führen, ist von Erhaltungsaufwendungen auszugehen (vgl. DRS 24.36).
Rn. 30
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Ein Erwerb liegt vor, wenn die Verfügungsmacht über den VG, also dessen wirtschaftliches Eigentum, von einem Dritten auf das bilanzierende UN übergegangen ist. Dabei ist unerheblich, ob der immaterielle VG schon vorher bestanden hat oder erst durch das Geschäft mit einem Dritten entsteht (vgl. Sommerhoff (2010), S. 83ff.; HdJ, Abt. II/2 (2017), Rn. 19; so nun auch DRS 24.26). Es kann sich also der Sache nach nur um einen Anschaffungsvorgang handeln, also Erwerb durch Kauf, Tausch, Werkvertrag oder i. R.e. gesellschaftsrechtlichen Einlage (vgl. zur Einlage Althoff, BB 2016, S. 2027ff.).
Rn. 31
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Ein Erwerb erfolgt entgeltlich, wenn eine Gegenleistung mit direktem Bezug zum erworbenen Gegenstand erbracht wird, deren Wert objektiv feststellbar ist und die dem Gegenstand nach den Vorstellungen der Handelspartner im Wert entspricht (vgl. HdJ, Abt. II/2 (2017), Rn. 21). Hat ein UN einen immateriellen VG von einem Dritten erworben und dafür ein Entgelt entrichtet, dann ist die Wertfindung durch zwei Personen objektiviert und dem subjektiven Ermessen des bilanzierenden Kaufmanns entzogen. Erfolgt der Erwerb von einem verbundenen UN (i. S. d. § 271 Abs...