Dr. Robert Weber, Julia Sieber
Rn. 21
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
§ 291 AktG geht grds. von einem einstufigen Konzernverhältnis aus; der Abschluss mehrstufiger BHV ist damit aber nicht untersagt. In praxi finden sich häufig mehrstufige UN-Verträge, insbesondere Verträge des EU sowohl mit dem MU als auch mit dem TU (vgl. Emmerich/Habersack (2020), § 11, Rn. 33). Zulässig sind hintereinander geschaltete BHV zwischen dem MU und einem TU sowie dem TU und einem EU und sogar dem EU und einem Urenkel-UN; das Gesetz nennt hier keine Grenzen. Mehrstufige UN-Verbindungen können sowohl auf- als auch absteigend begründet werden. Bei der aufsteigenden Begründung wird die Kette von unten nach oben gebildet; zuerst wird der Vertrag zwischen dem EU und dem TU und dann der Vertrag zwischen dem TU und dem MU geschlossen. Bei der absteigenden Begründung verläuft die Kette von oben nach unten; der Vertrag zwischen dem TU und dem EU folgt also dem Vertrag von MU und TU zeitlich nach. Ob dem MU ein direktes Weisungsrecht gegenüber dem EU zusteht, hängt von der konkreten Vertragsgestaltung ab. Möglich ist sowohl die Vereinbarung eines unmittelbaren Weisungsrechts von dem MU an das EU als auch ein mittelbares Weisungsrecht über das zwischengeschaltete TU. Der Gefahr sich widersprechender Weisungen seitens des MU und TU muss dadurch begegnet werden, dass entweder im Vertrag die Konzernleitungsbefugnisse der Vertragspartner klar voneinander abgegrenzt werden oder eine Abstimmung der Vertragspartner bei der Durchsetzung der UN-politischen Vorstellungen sichergestellt wird (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 291, Rn. 15). BHV mit mehreren herrschenden UN, die unkoordiniert nebeneinanderstehen, werden in der Praxis nicht vorkommen und wären auch rechtlich unzulässig, weil es an einer konzernstiftenden einheitlichen Leitung fehlte (vgl. LG Frankfurt am Main, Urteil vom 08.01.1990, 3/1 O 144/89, DB 1990, S. 624).
Rn. 22
Stand: EL 38 – ET: 01/2023
Zulässig ist auch die sog. Mehrmütterherrschaft (auch: Mehrmütterorganschaft), bei der ein BHV mehrerer MU mit einem TU geschlossen wird. Auch hier ist auf die Koordination der Konzernleitungsmacht besonders zu achten (vgl. so Hüffer-AktG (2022), § 291, Rn. 15f.; KK-AktG (2004), § 291, Rn. 58; BeckOGK-AktG (2022), § 291, Rn. 99; Hölters-AktG (2022), § 291, Rn. 41; Winkemann, BB 2003, S. 1649). Der Beitritt eines weiteren herrschenden UN zu einer Mehrmütterherrschaft ist als Vertragsänderung zu verstehen (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 291, Rn. 122f.). Der UN-Vertrag kann nach h. M. sowohl mit den herrschenden UN selbst als auch mit einer zwischen den herrschenden UN bestehenden BGB-Gesellschaft geschlossen werden (vgl. so Hüffer-AktG (2022), § 291, Rn. 16; KonzernR (2022), § 295 AktG, Rn. 14a). Scheidet ein UN aus einer solchen BGB-Gesellschaft aus, ist fraglich, ob der Vertrag geändert oder aufgehoben wird (vgl. KK-AktG (2004), § 291, Rn. 63f.).