Prof. Dr. Rolf U. Fülbier, Florian Federsel
1. Gesetzliche Einordnung
Rn. 45
Stand: EL 32 – ET: 6/2021
Der Grundsatz der UN-Fortführung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff (vgl. Adam/Quick, BFuP 2010, S. 243 (244); Leffson (1987), S. 604ff.). Im Schrifttum hat sich herauskristallisiert, dass grds. von der Fortführung des UN ausgegangen werden kann, solange das UN aktiv am Wirtschaftsleben teilnimmt (vgl. Adam/Quick, BFuP 2010, S. 243 (244); ähnlich auch Semler/Goldschmidt, ZIP 2005, S. 3ff., m. w. N.). Die handelsrechtliche Bewertung basiert auf der Annahme, dass die UN-Fortführung gegeben ist (vgl. dazu auch Gross, WPg 2004, S. 1357 (1359ff.)). Darüber hinaus rekurriert bspw. auch das Steuerrecht bei der Bewertung und damit u. a. bei der Ermittlung des Teilwerts auf den Grundsatz der UN-Fortführung (vgl. § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG). Die in § 252 Abs. 1 Nr. 2 kodifizierte Annahme der UN-Fortführung muss im Ausnahmefall aufgegeben werden, wenn ihr "tatsächliche oder rechtliche Gegebenheiten entgegenstehen" (vgl. HdR-E, HGB § 252, Rn. 49ff.). Dies bedingt eine Fortführungsprognose, die sowohl im Insolvenz- als auch im Gesellschafts- und Handelsrecht verankert ist (vgl. dazu Gross, WPg 2010, S. 119 (120); Gross, WPg 2004, S. 1433 (1434ff.)). Lediglich dann, wenn "keine Anhaltspunkte für Zweifel an der Fortsetzung des Unternehmens" bestehen, insbesondere bei nachhaltigen Gewinnen, leichtem Zugang zu finanziellen Mitteln und keiner drohenden bilanziellen Überschuldung, kann auf eine explizite Fortführungsprognose verzichtet werden (vgl. BGH, Urteil vom 26.01.2017, IX ZR 285/14, NJW 2017, S. 1611 (1614); ferner IDW PS 270 (2018), dortige Anlage (2), zu vier möglichen Szenarien).
Im Gesellschaftsrecht wurden (durch das Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vom 27.04.1998 (BGBl. I 1998, S. 786ff.)) die gesetzlichen Vertreter von KapG oder ihnen gleichgestellten PersG verpflichtet, betreffende UN mit angemessenen Maßnahmen i. R.d. Risikomanagements zu überwachen. Auf diese Weise sollen Manager die Möglichkeit haben, Fehlallokationen und Missstände bereits frühzeitig zu erkennen und gegensteuern zu können, um so die nachhaltige Existenz des UN am Markt zu sichern. Bspw. soll nach § 91 Abs. 2 AktG der Vorstand einer AG, KGaA oder SE geeignete Maßnahmen treffen und insbesondere ein Überwachungssystem einrichten, um Entwicklungen, die den Fortbestand des UN gefährden könnten, frühzeitig zu erkennen (vgl. Gross, WPg 2010, S. 119 (120)). Mit einem derartigen Risikofrüherkennungs- und -überwachungssystem hat das Management ein Werkzeug an der Hand, das es ihm ermöglicht, fundierte Ergebnisse zu generieren, um auf dieser Basis über die Fortführung des UN eine (positive oder negative) Prognose treffen zu können.
Neben den gesetzlichen Vorschriften und den dort geforderten Anhangangaben (vgl. § 284 Abs. 2 Nr. 1f.) existieren auch noch Veröffentlichungen der berufsständischen Organisationen sowie RL-Gremien. Diese Regelungen sollen die gesetzlichen Vorgaben konkretisieren und erläutern. So hat etwa das DRSC zwar keinen Standard herausgegeben, der sich ausdrücklich mit dem Grundsatz der UN-Fortführung i. R.d. Konzern-RL beschäftigt. Allerdings ist DRS 20 "Konzernlagebericht" zur Beurteilung des Grundsatzes von besonderem Interesse, soweit es hier um prospektive Teilelemente des (Konzern-)Lageberichts geht (obwohl sich DRS 20 auf den Konzernlagebericht bezieht, wird die Anwendung auf den Lagebericht gemäß der §§ 289ff. empfohlen; vgl. DRS 20.2). Von Bedeutung im (Konzern-)Lagebericht sind in diesem Zusammenhang neben dem Wirtschafts- (vgl. §§ 289 Abs. 1 Satz 1, 315 Abs. 1 Satz 1) v.a. der Prognose- und Chancen-/Risikobericht (vgl. §§ 289 Abs. 1 Satz 4, 315 Abs. 1 Satz 4) sowie der Finanzrisikobericht i. S. d. §§ 289 Abs. 2 Satz 1 bzw. 315 Abs. 2 Satz 1 (vgl. MünchKomm. HGB (2020), § 289, Rn. 57ff.; MünchKomm. HGB (2020), § 315, Rn. 58ff.; HdR-E, HGB §§ 289, 289a–f, Rn. 141ff.). Die Risikoberichterstattung im (Konzern-)Lagebericht hat hierbei zentrale Bedeutung; sie sieht Angaben zum Risikomanagementsystem, zu den einzelnen Risiken sowie eine zusammenfassende Darstellung der Risikolage vor (vgl. DRS 20.135). V.a. wesentliche Risiken sind einzeln darzustellen, in ihrer Bedeutung und in ihren Konsequenzen zu beurteilen (vgl. DRS 20.149f.). Bestandsgefährdende Risiken sind nach DRS 20.148 auch explizit als solche zu bezeichnen. Natürlich sind diese Berichterstattungspflichten und das dahinter geschaltete Risikofrüherkennungs- und -überwachungssystem hochrelevant für die Fortführungsprognose. Auch der Nachtragsbericht im (Konzern-)Anhang (vgl. §§ 285 Nr. 33, 314 Abs. 1 Nr. 25) dürfte in diesem Zusammenhang von Bedeutung sein.
Darüber hinaus hat auch der Berufsstand der WP durch das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) Veröffentlichungen zu dieser Thematik herausgegeben. Zu nennen sind hier insbesondere
- IDW PS 270 (2018): Beurteilung der Fortführung der Unternehmenstätigkeit im Rahmen der Abschlussprüfung,
- IDW RS HFA 17 (2018): Auswirkungen einer Abkehr von der Going Concern-P...