Dr. Robert Weber, Julia Sieber
Tz. 85
Stand: EL 36 – ET: 06/2022
Eine Haftung nach § 93 AktG scheidet nicht nur gegenüber Aktionären, sondern auch gegenüber sonstigen Dritten aus (vgl. HdR-E, AktG § 93, Rn. 84). Denkbar ist eine Haftung von Vorstandsmitgliedern gegenüber Dritten aus vertraglichen Ansprüchen (z. B. Bürgschaft für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft), aus § 280 Abs. 1 i. V. m. § 311 Abs. 3 BGB, wenn ein Vorstandsmitglied ein besonders persönliches Vertrauen in Anspruch genommen und hierdurch die Vertragsverhandlungen beeinflusst hat, aus Schutzrechtsverletzungen oder nach § 69 AO aus der Verletzung steuerlicher Pflichten (vgl. zu Einzelheiten Hüffer-AktG (2022), § 93, Rn. 146f.; des Weiteren KK-AktG (2010), § 93, Rn. 218ff.; AktG-GroßKomm. (2015), § 93, Rn. 650ff.; BeckOGK-AktG (2021), § 93, Rn. 377ff.)). Bei Insolvenz der Gesellschaft in Eigenverwaltung (vgl. §§ 270ff. InsO) haften die Vorstandsmitglieder den Beteiligten analog der §§ 60f. InsO (vgl. BGH, Urteil vom 26.04.2018, IX ZR 238/17, NZG 2018, S. 1025 (1026ff.)). Abgesehen davon kommen für Dritte v.a. Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung in Betracht. Denkbar sind hier Ansprüche aus § 826 BGB bei vorsätzlicher sittenwidriger Schädigung oder Ansprüche aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. einem Schutzgesetz. Als Schutzgesetz kommen z. B. die §§ 399f. AktG, §§ 246, 263, 264a, 265b und 266a StGB sowie § 15a Abs. 1 Satz 1 InsO und § 32 Abs. 1 Satz 1 KWG in Betracht, nicht dagegen § 93 AktG. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB oder § 130 OWiG wird man jedenfalls insoweit als Schutzgesetze ansehen müssen, als sie den Verstoß gegen Vorschriften sanktionieren, denen ihrerseits Schutzgesetzcharakter zukommt (vgl. KK-AktG (2010), § 93, Rn. 225). Strittig ist, ob Organmitglieder bei Kartellverstößen als Teilnehmer gemäß § 33a GWB i.V.m § 830 Abs. 2 BGB haften (vgl. dies bejahend OLG Düsseldorf, Urteil vom 13.11.2013, VI – U (Kart) 11/13, NZKart 2014, S. 68 (72); AktG-GroßKomm. (2015), § 93, Rn. 666f.; a. A. Hüffer-AktG (2022), § 93, Rn. 142). Eine Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB kommt bei der unmittelbaren Verletzung fremder Schutzgüter durch Vorstandsmitglieder in Betracht. Umstritten ist die Haftung von Vorstandsmitgliedern hingegen, wenn durch die Verletzung einer internen Organisationspflicht des Vorstandsmitglieds mittelbar außenstehende Dritte zu Schaden kommen. Grds. besteht die Pflicht aus der Organstellung zur ordnungsgemäßen Führung der Geschäfte der Gesellschaft nur dieser gegenüber und nicht auch im Verhältnis zu Dritten. Allein eine Organstellung an sich begründet damit prinzipiell noch keine Garantenpflicht, das Vermögen außenstehender Dritter zu schützen (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2012, VI ZR 341/10, NJW 2012, S. 3439 (3441f.); BGH, Beschluss vom 31.10.2012, III ZR 112/12, BeckRS 2012, 23 857; ferner BGH, Urteil vom 18.06.2014, I ZR 242/12, NZG 2014, S. 991 (993), zu Wettbewerbsverstößen). Nur unter besonderen Umständen kommt daher eine Haftung wegen Verletzung von Organisationspflichten nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch gegenüber außenstehenden Dritten in Betracht, bspw. dann, wenn ein Vorstandsmitglied eine Art persönliche Garantenstellung oder Verkehrs- und Organisationspflichten als eigene übernommen hat (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2012, VI ZR 341/10, NJW 2012, S. 3439 (3442); BeckOGK-AktG (2021), § 93, Rn. 387f.) bzw. bei einem Verstoß gegen eine über die interne Organisation des UN hinausgehende deliktische oder wettbewerbsrechtliche Verkehrspflicht – etwa im Bereich der Verkehrssicherung, der Produkthaftung oder im Zusammenhang mit Wettbewerbsverstößen der Gesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 18.06.2014, I ZR 242/12, NZG 2014, S. 991 (993f.); KK-AktG (2010), § 93, Rn. 224; Hachenburg (1997), § 43 GmbHG, Rn. 115). Für den GmbH-Geschäftsführer hat der VI. Senat des BGH im sog. "Baustoffurteil" entschieden, dass diesem eine Garantenstellung aus Organisationspflichten nicht nur gegenüber der Gesellschaft, sondern auch gegenüber außenstehenden Dritten obliegen kann, und einen Schadensersatzanspruch im konkreten Fall bejaht (vgl. BGH, Urteil vom 05.12.1989, VI ZR 335/88, BGHZ 109, S. 297 (302ff.)). Die Entscheidung ist wegen der befürchteten Gefahr einer uferlosen Außenhaftung für Organmitglieder auf Kritik gestoßen, auch wenn der VI. Senat daran festgehalten hat, dass grds. die gesellschaftsinternen Organisationspflichten nur der Gesellschaft gegenüber und nicht auch im Verhältnis zu Dritten bestünden. Wenn aber jeder mittelbar durch die Organisationspflichtverletzung eines Vorstandsmitglieds geschädigte außenstehende Dritte seine Ansprüche direkt gegen ein Organmitglied geltend machen könnte (vgl. BGH, Urteil vom 13.04.1994, II ZR 16/93, BGHZ 125, S. 366 (375f.); so auch AktG-GroßKomm. (2015), § 93 AktG, Rn. 662, 664f.), würden – diese Befürchtung hat auch der II. Senat des BGH geäußert – diese Grundsätze gerade aus den Angeln gehoben. Die Haftung für Organisationsmängel trifft daher primär die Gesellschaft. Dementsprechend wird das unmittelbar schädigende V...