Rn. 16
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Nach § 15 AktG setzt ein aktienrechtlicher UN-Verbund notwendig voraus, dass er zwischen UN besteht. Auf eine Umschreibung des UN-Begriffs hat der Gesetzgeber jedoch angesichts der erheblichen Schwierigkeiten einer Definition verzichtet (vgl. Kropff (1965), S. 27). "Sie ist für die Rechtsanwendung aber unverzichtbar" (Hüffer-AktG (2022), § 15, Rn. 8). Daher rührt die lebhafte Diskussion über den UN-Begriff, die sich in den ersten Jahren nach Inkrafttreten des AktG 1965 entwickelte. Im Schrifttum konkurrierten lange Zeit der institutionelle und der funktionelle UN-Begriff. Nach dem institutionellen Begriff wurde für eine UN-Eigenschaft das Vorhandensein einer Einheit an sachlichen Mitteln vorausgesetzt, die in nach außen erkennbarer Weise der Verfolgung eigenständiger erwerbswirtschaftlicher Ziele gewidmet war. Nach dem weniger restriktiven funktionellen Begriff genügte dagegen bereits die Verfolgung eigenständiger unternehmerischer Interessen, um eine UN-Eigenschaft zu begründen. Diese Konzeption stellte somit allein auf einen "Träger einer unternehmerischen Planungs- und Entscheidungsgewalt" (Kropff, BB 1965, S. 1281 (1285)) ab, der für die Gesellschaft marktstrategisch plante und entschied, ohne dass damit irgendeine Institutionalisierung erforderlich gewesen wäre.
Rn. 17
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Diese traditionellen Interpretationen des UN-Begriffs sind mittlerweile als überholt zu beurteilen, da keine der beiden Auffassungen dem Gesetzeszweck vollständig gerecht wird (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 15, Rn. 10, m. w. N.). Letztlich ging es dabei immer um die Frage, anhand welcher Kriterien eine Abgrenzung zwischen UN- und Privatgesellschaftern vorzunehmen ist. Vor diesem Hintergrund ist eine zweckbezogene (teleologische) Interpretation des UN-Begriffs erforderlich (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 15, Rn. 9; Küting, BFuP 2015, S. 21 (28ff.)). Dem Schutzgedanken des AktG folgend ist danach zwischen dem einfachen Aktionär, dessen Interessen mit denen der Gesellschaft weitgehend konform gehen, und dem Aktionär mit UN-Eigenschaft, der eine potenzielle Interessenkollision zu der Gesellschaft aufweist, zu unterscheiden. Für das Erfüllen der UN-Eigenschaft kommt es danach nicht auf institutionelle oder funktionale Merkmale an, sondern allein darauf, ob der Gesellschafter/Aktionär neben der Beteiligung an der Gesellschaft anderweitige wirtschaftliche Interessenbindungen aufweist, die nach Art und Intensität ernsthafte Sorge begründen, er könne wegen dieser Bindungen seinen aus der Mitgliedschaft folgenden Einfluss auf die Gesellschaft nachteilig ausüben (vgl. Hüffer-AktG (2022), § 15, Rn. 10; MünchKomm. AktG (2019), § 15, Rn. 18). M.a.W.: "Unternehmensqualität besitzt jeder Gesellschafter, der nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch außerhalb der Gesellschaft unternehmerische Interessen verfolgt" (Emmerich/Habersack (2020), § 2, Rn. 8).
Rn. 18
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"Umgekehrt läßt sich aber auch nicht von einer bestimmten Rechtsform ohne Weiteres auf die Unternehmenseigenschaft schließen" (Clausen (1992), S. 115; a.A offensichtlich KonzernR (2019), § 15 AktG, Rn. 16, zur Holding als Formkaufmann). Somit ist klargestellt, dass die UN-Qualität eines Anteilseigners sich nicht anhand seiner Rechtsform differenzieren lässt. Nicht nur Rechtsformen des Handelsrechts (KapG, PersG, Einzelkaufleute), einschließlich der BGB-Außengesellschaft und der Partnerschaftsgesellschaft, sondern auch eG, Vereine, Stiftungen und die SE (vgl. § 49 SEAG) können unter den genannten Voraussetzungen UN i. S. d. §§ 15ff. AktG sein (vgl. Emmerich/Habersack (2020), § 2, Rn. 9). Gleiches gilt für KöR, insbesondere Gebietskörperschaften und sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts (vgl. HB-GesR (2020/IV), § 69, Rn. 11). Eine KöR kann herrschendes UN sein (vgl. BAG, Beschluss vom 26.08.2020, 7 ABR 24/18, ZTR 2021, S. 158ff.). Auch Gewerkschaften können den UN-Tatbestand erfüllen. Dem steht auch die Organisationsform als Verein nicht entgegen, denn es "genügt, dass aufgrund der anderweitigen Interessenbindung die ernsthafte Möglichkeit nachteiliger Einflussnahme besteht" (Hüffer-AktG (2022), § 15, Rn. 15).
Rn. 19
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Es kann daher als gesicherter Stand der Dogmatik angesehen werden, dass ein Aktionär, dessen unternehmerische Interessen sich ausschließlich auf die Wahrnehmung seiner Interessen an einer Gesellschaft beschränken, nicht UN i. S. d. §§ 15ff. AktG, sondern privilegierter Privataktionär ist (vgl. MünchKomm. AktG (2019), § 15, Rn. 14). Ist beim Einzelkaufmann als natürliche Person die UN-Eigenschaft unbestritten, so gilt dies daher für andere natürliche Personen (d. h. Personen, die kein eigenes UN betreiben) immer dann, wenn sie mindestens noch an einer weiteren Gesellschaft beteiligt sind und sie in dieser anderen Gesellschaft auch die Möglichkeit zur Ausübung von Leitungsmacht haben, sei es persönlich, sei es durch von ihnen bestellte Vertreter oder Geschäftsführer (vgl. a...