1. Konzernarten
Rn. 108
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Der an erster Stelle im Gesetz genannte Unterordnungskonzern spielt in der Praxis eine weitaus größere Rolle als der Gleichordnungskonzern. Auch das Schrifttum befasst sich ganz überwiegend mit dieser Konzernart. Wesensmerkmal des Unterordnungskonzerns ist es gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 AktG, dass ein herrschendes UN und ein oder mehrere abhängige UN unter der einheitlichen Leitung des herrschenden UN zusammengefasst sind. Dabei lassen sich folgende Konzernarten unterscheiden:
a) Faktischer Konzern
Rn. 109
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Der Begriff des faktischen Konzerns wird seitens des Gesetzgebers nicht verwendet. Mit diesem Begriff werden Konzerne bezeichnet, die nicht auf einem BHV oder Eingliederungsvertrag beruhen. Der faktische Konzern ist dadurch gekennzeichnet, dass die Leitungsmacht des herrschenden UN nicht gesetzlich gesichert ist. Anders als im Vertrags- oder Eingliederungskonzern besteht im faktischen Konzern nämlich kein formelles Weisungsrecht. Die Leitungsmacht beruht vielmehr auf rein faktischen Verhältnissen; d. h., es handelt sich hier um einen Sammelbegriff ohne gesetzliche Basis, der solche Zusammenfassungen von UN unter einheitlicher Leitung umfasst, die nicht auf einem BHV oder einer Eingliederung beruhen. Indizien für die Ausübung von tatsächlicher Leitungsmacht sind dabei Zentralfunktionen wie RL, Controlling, Recht und Steuern sowie Personenidentität in Leitungsfunktionen der UN (vgl. LG Hamburg, Beschluss vom 12.08.2016, 413 HKO 138/15, ZIP 2016, S. 2316ff.). Die Vermutung, dass Abhängigkeit eines UN regelmäßig dazu benutzt wird, dieses UN zentral zu führen, d. h., die Beherrschungsmöglichkeiten in Form der einheitlichen Leitung auszuüben, ist das Muster für den faktischen Konzern. Die Konzernvermutung ist auch bei anderen Gesellschaftsformen anwendbar, insbesondere bei der GmbH, da dort angesichts der direkten Weisungsbefugnis der Gesellschafterversammlung der direkte Einfluss auf die Geschäftsführung noch größer ist als bei einer AG, KGaA bzw. SE. Auch für PersG wird die Anwendbarkeit der Vermutung überwiegend bejaht (vgl. AktG-GroßKomm. (2017), § 18, Rn. 35).
b) Vertragskonzern
Rn. 110
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Der aktienrechtliche Vertragskonzern ist durch den Abschluss eines BHV (vgl. § 291 AktG) gekennzeichnet. Durch diesen Vertrag unterstellt eine AG, KGaA bzw. SE die Leitung ihrer Gesellschaft einem anderen UN, indem sie sich verpflichtet, den Weisungen des herrschenden UN zu folgen (rechtliche Folgepflicht), wobei allerdings die Ausübung des Weisungsrechts im Konzerninteresse erfolgen muss (vgl. § 308 Abs. 1f. AktG). Dieses umfassende Weisungsrecht beim BHV "bindet, selbst wenn von ihm einmal ausnahmsweise kein Gebrauch gemacht werden sollte, die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft so stark an die der herrschenden, dass die Unternehmen stets als unter der einheitlichen Leitung des herrschenden Unternehmens zusammengefasst anzusehen sind" (Kropff (1965), S. 33).
Rn. 111
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Folgerichtig vermutet § 18 Abs. 1 Satz 2 AktG unwiderlegbar das Vorliegen eines Unterordnungskonzerns, falls ein BHV i. S. d. § 291 Abs. 1 AktG besteht; d. h., die einheitliche Leitung wird in einem solchen Fall fingiert. Diese gesetzliche Fiktion ist dabei aber nicht auf den aktienrechtlichen BHV, der voraussetzt, dass das abhängige UN in der Rechtsform einer AG, KGaA bzw. SE geführt wird, zu beschränken; vielmehr ist ein Vertragskonzernverhältnis auch dann anzunehmen, wenn ein UN anderer Rechtsform vertraglich seine Leitung einem anderen UN unterstellt und dieser Vertrag inhaltlich die Anforderungen des § 308 AktG erfüllt (vgl. ADS (1997), § 18 AktG, Rn. 67). In der Vergangenheit wurden BHV und GAV vornehmlich aus steuerlichen Gründen regelmäßig zusammen abgeschlossen. Heute genügt für die Begründung einer körper- und gewerbesteuerlichen Organschaft ein den steuerrechtlichen Vorgaben (vgl. § 14 KStG; § 2 Abs. 2 GewStG) genügender isolierter GAV. Dadurch bedingt sind isolierte GAV in praxi derweil (wieder) häufiger anzutreffen. Ein BHV wird zumeist dann zusätzlich abgeschlossen, sofern auch eine umsatzsteuerliche Organschaft angestrebt wird (vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG). Ungeachtet dessen können BHV, wenn auch dem Vernehmen nach nur selten vorkommend, isoliert abgeschlossen werden, etwa, um das (anders als bei einer GmbH) ansonsten nicht gegebene Weisungsrecht gegenüber einer AG, KGaA bzw. SE im Konzern zu begründen oder bei einer Vielzahl konzerninterner Vertragsverhältnisse die Aufstellung eines Abhängigkeitsberichts (vgl. § 312) zu vermeiden. Zwar lässt sich zuletzt genanntes Ziel auch durch einen GAV erreichen (vgl. § 316); ist die Obergesellschaft jedoch ein ausländisches UN, scheidet diese Alternative allerdings mangels steuerlicher Anerkennung regelmäßig aus. Ein BHV kann darüber hinaus auch ein erster Schritt auf dem Weg zum Squeeze-out sein (vgl. Hölters-AktG (2022), § 291...