Thomas Richter, Thomas Richter
Rn. 60
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
Treuhandverhältnisse werden steuerlich grds. nach der wirtschaftlichen Betrachtungsweise beurteilt, d. h. maßgebend für die Besteuerung ist nicht die äußere Rechtsgestaltung, sondern sind die dieser Rechtsgestaltung zugrunde liegenden wirtschaftlichen Verhältnisse (vgl. Wöhe, WiSt 1980, S. 217ff.).
In Anwendung dieser wirtschaftlichen Betrachtungsweise weicht § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO von der allg. Vorschrift des § 39 Abs. 1 AO ab, dass WG dem "Eigentümer zuzurechnen" sind, und bestimmt: "Übt ein anderer als der Eigentümer die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise aus, dass er den Eigentümer im Regelfall für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann, so ist ihm das Wirtschaftsgut zuzurechnen. Bei Treuhandverhältnissen sind die Wirtschaftsgüter dem Treugeber, beim Sicherungseigentum dem Sicherungsgeber und beim Eigenbesitz dem Eigenbesitzer zuzurechnen."
Die in § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO enthaltene Definition des wirtschaftlichen Eigentums lehnt sich an das Leasing-Urteil (IV R 144/66, BStBl. II 1970, S. 264ff.) des BFH vom 26.01.1970 an. Ebenso wie beim Leasingverhältnis wird beim Treuhandverhältnis das Treuhandvermögen stets dem wirtschaftlichen Eigentümer zugerechnet. Da der Treuhänder das Treuhandvermögen im Interesse des Treugebers zu verwalten hat, muss dieser zwar eine "Beschränkung in der Verwaltung des Vermögens und dessen Erträgnissen" hinnehmen, ist aber für die Besteuerung als die "maßgebliche Person zu sehen, der das Wirtschaftsgut mit allen sich daraus ergebenden steuerrechtlichen Konsequenzen zuzurechnen ist" (Kirsten/Matheja (1978), S. 41 (beide Zitate)). Auf die Ausnahme von Vollrechtstreugut mit Ausschluss des Rechts auf Aussonderung und Widerspruchsklage wurde unter HdR-E, Kap. 4, Rn. 36, hingewiesen.
Zudem wird die Ansicht vertreten, dass die Zurechnungsvorschriften durch Bestimmungen oder den Zweck von Einzelsteuergesetzen eingeschränkt werden können (vgl. etwa Tipke/Kruse (2023), § 39 AO, Rn. 5ff.). Somit ist anhand der Einzelsteuergesetze für jede Steuerart zu prüfen (insbesondere Verkehrsteuern), ob die Anwendung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise des § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO geboten ist oder nicht (vgl. IDW (2020), Rn. A 74).
1. Rechtsstellung des Treuhänders nach der AO
Rn. 61
Stand: EL 40 – ET: 09/2023
§ 35 AO bestimmt, dass derjenige, der als Verfügungsberechtigter im eigenen oder fremden Namen auftritt, die Pflichten eines gesetzlichen Vertreters hat, "soweit er sie rechtlich und tatsächlich erfüllen kann." Der Treuhänder als Verfügungsberechtigter im eigenen Namen wird also dem gesetzlichen Vertreter natürlicher oder juristischer Personen gleichgestellt, der nach § 34 Abs. 1 Satz 1 AO "deren steuerliche Pflichten" zu erfüllen hat. Der Treugeber wird allerdings durch die Bestellung des Treuhänders von diesen Pflichten nicht befreit. Er allein ist Steuerpflichtiger, der Treuhänder kann lediglich unter bestimmten Voraussetzungen für die Steuerschulden des Treugebers haftbar gemacht werden (vgl. § 69 AO).
Vermögensverwalter, die nicht Eigentümer des Vermögens oder gesetzliche Vertreter des Eigentümers sind (z. B. Insolvenzverwalter, Zwangsverwalter, Testamentsvollstrecker, gerichtlich bestellte Liquidatoren), werden durch § 34 Abs. 3 AO im Hinblick auf die Verpflichtung zur Erfüllung steuerlicher Pflichten den gesetzlichen Vertretern natürlicher oder juristischer Personen gleichgestellt, "soweit ihre Verwaltung reicht."
Der Treuhänder ist nach § 159 Abs. 1 Satz 1 AO verpflichtet, das Bestehen eines Treuhandverhältnisses auch dadurch nachzuweisen, dass er den Finanzbehörden auf Verlangen den Treugeber benennt. Es genügt also nicht, dass er seine Treuhänderschaft überhaupt nachweist; er muss – selbst in den Fällen, in denen es der eigentliche Zweck des Treuhandverhältnisses ist, dass der Treugeber nicht nach außen in Erscheinung tritt – außerdem den wirtschaftlichen Eigentümer benennen. Anderenfalls ist das Treugut dem Treuhänder "regelmäßig" zur Besteuerung zuzurechnen. Regelmäßig bedeutet hier, dass die Finanzbehörde nur in Ausnahmefällen – wenn z. B. der Treuhänder aus triftigen Gründen den Treugeber nicht preisgeben will – von der Zurechnung beim Treuhänder absehen kann (vgl. Beck AO-Komm. (2022), § 159, Rn. 17). Die Besteuerung beim Treuhänder, falls er zwar das Treuhandverhältnis nachweist, aber den Treugeber nicht nennt, stellt sicher, dass das Treugut und seine Erträge nicht steuerfrei bleiben, sondern überhaupt zur Besteuerung herangezogen werden. Aus der Vorschrift des § 159 Abs. 1 AO kann aber nicht gefolgert werden, dass je nachdem, ob der Treuhänder den Treugeber benennt oder nicht, die Besteuerung gezielt entweder auf den Treugeber oder den Treuhänder verlagert werden kann. Ein solches Wahlrecht kann es schon deshalb nicht geben, weil nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO das Treuhandvermögen stets dem Treugeber zuzurechnen ist.
2. Substanzsteuerliche Behandlung des Treuguts
Rn. 62
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Für die Besteuerung des Vermögens gilt nicht der bürgerlich-r...