Prof. Dr. Jens Poll, Ingrid Kalisch
Rn. 24
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Als Erwerb ist jedes Rechtsgeschäft anzusehen, das eine AG/KGaA/SE dauerhaft oder vorübergehend zum Inhaber oder Mitinhaber der Aktie macht oder einen schuldrechtlichen Titel für einen solchen Erwerb schafft (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 71, Rn. 4).
Rn. 25
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Darunter fällt die Abtretung nach den §§ 398ff., 413 BGB sowie die Übereignung nach den §§ 929ff. BGB (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 71, Rn. 4).
Rn. 26
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Welche Art schuldrechtlicher Titel den Anspruch auf Übereignung nach den §§ 929ff. BGB oder Übertragung nach den §§ 398ff., 413 BGB begründet, ist unerheblich (vgl. Hüffer-AktG (2024), § 71, Rn. 4). So kommen z. B. folgende schuldrechtliche Titel in Frage: Kauf, Tausch, Schenkung, unregelmäßige Verwahrung nach § 700 BGB, §§ 13, 15 DepotG, Kommission oder Zuschlag in der Zwangsversteigerung sowie u. U. Sicherungs- und sonstige Treuhandabreden. Als Erwerb i. d. S. ist auch der Selbsteintritt einer AG/KGaA/SE beim kommissionsweisen Verkauf (vgl. § 400 Abs. 1) sowie das Repo- und Depotgeschäft in eigenen Aktien anzusehen.
Rn. 27
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Besonders gesetzlich geregelt ist die Inpfandnahme eigener Aktien (vgl. § 71e AktG). Danach ist die Inpfandnahme i.W. dem Erwerb gleichgestellt (vgl. zu Einzelheiten § 71e AktG). Als Erwerbsgeschäft ist auch die Sicherungsübereignung anzusehen (vgl. MünchKomm. AktG (2024), § 71, Rn. 79).
Rn. 28
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Dagegen sind weder die Verwaltungstreuhand noch die Legitimationsübertragung als Erwerb von Aktien anzusehen. Typischerweise betreffen weder die Verwaltungstreuhand noch die Legitimationsübertragung vermögensrechtliche Belange einer AG/KGaA/SE, so dass § 71 AktG als Instrument der Kap.-Erhaltung hier nicht zum Schutz der Gläubiger betreffender Gesellschaft heranzuziehen ist (vgl. AktG-GroßKomm. (2018), § 71, Rn. 146f.; Hüffer-AktG (2024), § 71, Rn. 6; MünchKomm. AktG (2024), § 71, Rn. 95f.).
Rn. 29
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
Aufgrund des § 158 Abs. 2 BGB ist der "Rückerwerb" eigener Aktien nach Eintritt einer auflösenden Bedingung kein Erwerbsfall. Ebenfalls nicht erfasst ist der Erwerb einer Beteiligung an einer anderen Gesellschaft, die Aktien der erwerbenden AG/KGaA/SE hält, denn Erwerbsgegenstand ist die Beteiligung und nicht der Aktienbestand. Zu beachten ist jedoch, dass die so mittelbar erworbenen eigenen Aktien i. R.d. § 71 Abs. 2 Satz 1 AktG i. V. m. § 71d Satz 3 AktG bei der AG/KGaA/SE auf die Obergrenze für eigene Aktien anzurechnen sind. Im Falle der Überschreitung jener Grenze besteht die Pflicht zur Veräußerung und Einziehung gemäß § 71c Abs. 2f. AktG i. V. m. § 71d Satz 3 AktG. Darüber hinaus gewähren die im Besitz der Beteiligungsgesellschaft stehenden Aktien keine Stimmrechte. Es bestehen jedoch zwei Ausnahmen von diesem Grundsatz: Besteht das Vermögen des anderen UN (nahezu) ausschließlich aus Aktien der erwerbenden AG/KGaA/SE, dann ist der Erwerb dieses UN als Erwerb von eigenen Aktien i. S. d. § 71 AktG anzusehen (vgl. MünchKomm. AktG (2024), § 71, Rn. 104). Dies folgt schon daraus, dass der Erwerb von Aktien einer AG/KGaA/SE durch eines ihrer TU gemäß § 71d AktG nur zulässig ist, soweit die AG/KGaA/SE selbst zu deren Erwerb berechtigt wäre. Unzulässig ist der Erwerb einer Mehrheitsbeteiligung an einem anderen UN ferner, wenn die AG/KGaA/SE von diesem abhängig ist oder in dessen Mehrheitsbesitz steht. Da der Aktienbesitz des Beteiligungs-UN nur innerhalb der Grenzen des § 71 AktG zulässig sein kann, wären mit dem Erwerb des Beteiligungs-UN durch die AG/KGaA/SE automatisch die Grenzen des § 71 AktG überschritten. In den zulässigen Fällen des Beteiligungserwerbs an einem UN, welches Aktien an einer AG/KGaA/SE hält, ist jedoch § 19 AktG (wechselseitige Beteiligungen) zu beachten.