Willensbildung und Innenrecht


Personen- und Kapitalgesellschaften – Willensbildung

Bei allen Gesellschaftsformen sind die wesentlichen bzw. grundsätzlichen Entscheidungen von der Gesellschafterversammlung treffen. Wann und wie diese Beschlussfassung regelmäßig zu erfolgen hat, ist jedoch stark von der Art der Gesellschaft abhängig. Genauso lassen die unterschiedlichen Rechtsformen unterschiedlich viel individuelle Vertragsgestaltung zu. Hier können Gesellschafter durch sinnvolle Regelungen etwaigen Gesellschafterstreitigkeiten vorbeugen.

Willensbildung, Gesellschafterversammlungen und -beschlüsse

Gesellschafterversammlungen und -beschlüsse sind bei Personengesellschaften gesetzlich nur rudimentär geregelt. Bei der GbR sind Beschlüsse grundsätzlich einstimmig zu fassen (§ 714 BGB), Gesellschafterversammlungen werden gar nicht geregelt. Bei OHG und KG ist gesetzlich bestimmt, dass Beschlüsse einstimmig in Gesellschafterversammlungen gefasst werden, die durch jeden geschäftsführungsbefugten Gesellschafter einberufen werden können (§§ 109 Abs. 1, Abs. 2 S. 1, Abs. 3, 161 Abs. 2 HGB). Vom gesetzlichen Einstimmigkeitsprinzip wird in der Praxis regelmäßig abgewichen und ein Mehrheitsprinzip vereinbart, das sich am Verhältnis der Beteiligungen orientiert (vgl. § 709 Abs. 3 BGB). Mangels entsprechender gesetzlicher Regelungen empfiehlt es sich, zur Ladung, zum Ablauf und zur Leitung von Gesellschafterversammlungen eigene, individuell auf die Gesellschaft zugeschnittene Regelungen zu vereinbaren. Empfehlenswert sind auch Regelungen zur förmlichen Feststellung von Gesellschafterbeschlüssen, um Unsicherheiten und Streit zu vermeiden.

Bei Kapitalgesellschaften gibt es deutlich mehr zwingende Vorgaben zur Einberufung und Abhaltung von Gesellschafterversammlungen. So sieht das Gesetz für die GmbH bestimmte Fristen und Formen vor (§ 51 GmbHG). Bloße Formerleichterungen sind durch Gesellschaftsvertrag möglich, jedoch keine Herabsetzung der Einberufungsvoraussetzungen. Noch strenger sind die entsprechenden Regelungen zur AG. Hier müssen zwischen Einberufung und Hauptversammlung mindestens dreißig Tage liegen (§ 123 Abs. 1 AktG). Die Einberufung hat zwingend mindestens Firma und Sitz der Gesellschaft, Zeit und Ort der Versammlung sowie die Tagesordnung zu enthalten (§ 121 Abs. 3 AktG); börsennotierte Aktiengesellschaften haben noch zahlreiche weitere Informations- und Formvorschriften im Vorfeld einer Hauptversammlung zu erfüllen (etwa § 121 Abs. 3 S. 3 AktG, Abs. 4a; § 123 Abs. 4 AktG; § 124a AktG).

Grundsätzliche Unterschiede zwischen Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften gibt es auch bei der Anfechtbarkeit und Nichtigkeit von Gesellschafterbeschlüssen. Bei der GbR führt jeder Mangel bei der Beschlussfassung zur Nichtigkeit des Beschlusses. Diese Nichtigkeit kann dauerhaft, ohne Einhaltung irgendwelcher Fristen, geltend gemacht werden. Eine Klage gegen fehlerhafte Beschlüsse muss gegen alle Gesellschafter gerichtet werden, die sich auf die gegenteilige Wirksamkeit des Beschlusses berufen. Bei GmbH, AG, OHG und KG sind fehlerhafte Beschlüsse hingegen grundsätzlich wirksam, aber anfechtbar. Nur ausnahmsweise, d.h. bei besonders schwerwiegenden Fehlern, sind fehlerhafte Beschlüsse nichtig und damit unwirksam. Die Anfechtung muss durch einen Gesellschafter innerhalb einer (gesetzlich oder vertraglich) bestimmten Frist durch Klage gegen die Gesellschaft geltend gemacht werden. Die Anfechtung des Beschlusses bzw. die Feststellung seiner Nichtigkeit wirkt dann für und gegen jeden Gesellschafter, unabhängig von seiner Beteiligung am Rechtsstreit. Ficht kein Gesellschafter einen Beschluss an, ist er nach Ablauf der Frist (außer in seltenen Fällen der Nichtigkeit) in jedem Fall wirksam. Das Anfechtungssystem schafft daher im Regelfall schnell Rechtssicherheit über die Wirksamkeit von Beschlüssen und erleichtert es Gesellschaftern, ihre Einwendungen vor Gericht zu erheben. Bei einer GbR kann dieses Anfechtungssystem durch einen Verweis auf die Regelungen der §§ 110 ff. HGB vereinbart werden.

Mitbestimmung

Kapitalgesellschaften (AG, KGaA, GmbH und Genossenschaft) unterliegen ab einer bestimmten Mitarbeiterzahl der Arbeitnehmermitbestimmung: Das Drittelbeteiligungsgesetz sieht die Bildung eines Aufsichtsrats mit einem Drittel Arbeitnehmervertretern bei mehr als 500 Mitarbeitern vor; nach dem Mitbestimmungsgesetz ist eine paritätische Mitbestimmung im Aufsichtsrat bei mehr als 2.000 Mitarbeitern vorgesehen. Die Gesetze zur Arbeitnehmermitbestimmung finden aufgrund ihrer abschließenden Aufzählung der erfassten Unternehmensformen auf die SE keine Anwendung. Auch Personengesellschaften unterliegen nicht dieser Art der unternehmerischen Mitbestimmung. Bei den hybriden Formen GmbH & Co. KG und AG & Co. KG werden die Mitarbeiter (ab 2.000) der GmbH bzw. AG zugerechnet, sodass ein Aufsichtsrat nach dem Mitbestimmungsgesetz zu bilden ist.

Flexibilität der vertraglichen Regelungen

Bei jeder Gesellschaftsform regelt der Gesellschaftsvertrag ganz grundlegend das Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und ihr Verhältnis untereinander. Die Gesellschafter entscheiden (unter Einhaltung der gesetzlichen Mindestinhalte wie bspw. Name und Sitz der Gesellschaft) frei, welche Inhalte der Gesellschaftsvertrag haben soll; lediglich von einigen zwingenden gesetzlichen Regelungen können die Gesellschafter nicht abweichen. Der Grad an Freiheit, der den Gesellschaftern bei der Gestaltung ihres Gesellschaftsvertrages durch das jeweilige Gesetz eingeräumt wird, unterscheidet sich stark nach der gewählten Gesellschaftsform. Je „kapitalistischer“ die Gesellschaftsform, desto engere Fesseln werden den Gesellschaftern angelegt.

Personalistische Gesellschaften sind durch die persönliche Mitarbeit der Gesellschafter, ein enges Vertrauensverhältnis und eine geringe Zahl von Mitgesellschaftern gekennzeichnet. Als personalistisch werden Personengesellschaften, aber auch GmbH und UG betrachtet. Diesen Gesellschaften lässt das Gesetz weiten Gestaltungsspielraum. Die Gesellschaftsverträge können in vielerlei Hinsicht vom Gesetz abweichende Regelungen treffen.

Die Rechtsform der AG ist hingegen auf ein breites Publikum ausgerichtet und daher „kapitalistisch“ geprägt. Die Satzung einer AG darf gem. § 23 Abs. 5 S. 1 AktG nur dann von den gesetzlichen Regelungen abweichen, wenn und soweit das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Selbst einstimmig können die Aktionäre daher nicht von bestimmten Grundsätzen der AG abweichen, wie z.B. die gleiche Gewinnbeteiligung nach Aktien oder das Bezugsrecht bei der Ausgabe neuer Aktien. Abweichende Regelungen können und müssen dann in separaten Gesellschaftervereinbarungen getroffen werden.


Weiterer Autor dieses Beitrags ist: Rechtsanwalt Gerhard Manz, ADVANT Beiten Freiburg