Dr. Christoph Eppinger, Yves Schöpfer
1. Wahlrecht zwischen Gesamt- (GKV) und Umsatzkostenverfahren (UKV)
Rn. 161
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Wie in IAS 1.88 bzw. ED/2019/7.44 gefordert, sind standardseitig alle Ertrags- und Aufwandskomponenten erfolgswirksam in der GuV zu erfassen, sofern nicht ein anderer Standard eine Erfassung im OCI vorschreibt. Dabei kann das UN, wie zuvor erwähnt (vgl. HdR-E, HGB § 275, Rn. 159a), entweder eine Gesamtergebnisrechnung oder eine GuV einschließlich Überleitung aufstellen. Wird die Entscheidung zugunsten der zweiten Alternative getroffen, so hat das UN eine Darstellungsform zu wählen, die dem Abschlussadressaten "verlässliche und relevante[.] Informationen ermöglicht" (IAS 1.99; vgl. zudem ED/2019/7.68).
Rn. 161a
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Hinsichtlich der Aufgliederung sind wie nach HGB zwei Darstellungsvarianten vorgesehen (vgl. IAS 1.101ff.; ED/2019/7.69f.), nämlich das Gesamt- (GKV) ("nature of expense method") oder Umsatzkostenverfahren (UKV) ("function of expense or cost of sales method"). Betreffendes UN ist bezüglich der Wahl der Darstellungsform grds. frei. Jedoch ist zu beachten, dass das Management diejenige Darstellungsform zu wählen hat, welche "zuverlässiger und relevanter ist" (IAS 1.105; vgl. zudem ED/2019/7.68). D.h., das Management hat sich zu überlegen, welche Darstellungsform dem Abschlussadressaten den größten Informationsnutzen bringt. Dabei sind neben der Art der UN-Tätigkeit auch historische sowie branchenbezogene Faktoren zu berücksichtigen (vgl. IAS 1.105; ED/2019/7.B45ff.).
2. Gesamtkostenverfahren ("nature of expense method")
Rn. 162
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Als erste Darstellungsform der GuV wird das GKV im Standard angesprochen. Dabei werden die Aufwendungen wie nach HGB nach ihrer Art und nicht (wie im UKV) nach Funktionsbereichen gegliedert. In IAS 1.102 (ED/2019/7.69) ist eine beispielhafte Gliederung nach dem GKV angegeben (vgl. auch IAS 1.IG6 (Part I)):
(a) |
UE ("revenue"); |
(b) |
sonstige Erträge ("other income"); |
(c) |
Veränderung des Bestands an Fertigerzeugnissen und unfertigen Erzeugnissen ("changes in inventories of finished goods and work in progress"); |
(d) |
Aufwendungen für RHB ("raw materials and consumables used"); |
(e) |
Aufwendungen für Leistungen an AN ("employee benefits expense"); |
(f) |
AfA ("depreciation and amortisation expense"); |
(g) |
andere Aufwendungen ("other expenses"); |
(h) |
Gesamtaufwand ("total expenses"); |
(i) |
Gewinn vor Steuern ("profit before tax"). |
Rn. 163
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Konkret sind unter unmittelbar vorstehende Posten jener (Mindest-)Gliederung im Grundsatz die folgenden Sachverhalte zu subsumieren:
(a) |
UE ("revenues") "UE" sind im maßgeblichen Standard IFRS 15 explizit definiert (vgl. IFRS 15 Appendix A). Gemäß des Rahmenkonzepts (RK) des IASB verstehen sich UE ("revenues") als eine Teilmenge des übergeordneten Begriffs "Ertrag" (vgl. auch Pellens et al. (2021), S. 278). Ganz generell wird dort Ertrag ("income") definiert als Zunahme des wirtschaftlichen Nutzens während der Bilanzierungsperiode in Form von Zuflüssen oder Wertsteigerungen von Vermögenswerten oder einer Verringerung von Schulden, durch die sich das EK unabhängig von Einlagen der Eigentümer erhöht (vgl. RK.4.68 (2018)). Nach der Umsatzdefinition in IFRS 15 werden die "UE" als Erträge aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit verstanden, ohne dies jedoch weiter zu spezifizieren oder konkretisieren. Insoweit ist im Kontext der "UE" weiterhin zwischen den typischen Erlösen aus dem Kerngeschäft, die als "UE" auszuweisen sind, und den untypischen Erlösen, die als "Sonstige betriebliche Erträge" zu zeigen sind, zu unterscheiden (vgl. de la Paix/Plankensteiner, IRZ 2015, S. 331 (333)). So ist etwa bei den "Zinserträgen" zu prüfen, ob sie Teil der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit sind und somit auch unter den "UE" auszuweisen sind – z. B. Zinserträge aus Kundenfinanzierung bei langfristigen Fertigungsaufträgen, sofern ihnen eine wesentliche Finanzierungskomponente inhärent ist (vgl. IFRS 15.60). Auch in diesen Fällen sind die "Zinserträge" gesondert von den "UE" zu zeigen (vgl. IFRS 15.65). Bei anderen Erträgen, wie "Mieteinnahmen", "Lizenz"- oder "Dividendenerträgen", ist im Einzelfall zu prüfen, ob sie der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und damit den "UE" zuzuordnen oder als "Sonstige betriebliche Erträge" auszuweisen sind. |
Rn. 163a
Stand: EL 42 – ET: 05/2024
Bisher beschränkten sich die "UE" nach HGB auf "Erlöse aus dem Verkauf und der Vermietung oder Verpachtung von für die gewöhnliche Geschäftstätigkeit der Kapitalgesellschaft typischen Erzeugnissen und Waren sowie [...] Dienstleistungen" (§ 277 Abs. 1 (a. F.)). Durch den BilRUG-bedingten Wegfall des Abgrenzungsmerkmals "Gewöhnliche Geschäftstätigkeit" werden nach HGB fortan mehr Erträge den "UE" statt wie bisher den "Sonstige[n] betriebliche[n] Erträge[n]" zuzuordnen sein. M.a.W.: Zumindest hinsichtlich der Abgrenzung zwischen den "UE" und den "Sonstige[n] betriebliche[n] Erträge[n]" hat sich das HGB von den IFRS entfernt (vgl. Kirsch, IRZ 2015, S. 99 (106); Kolb/Ross, WPg 2015, S. 869 (872); de la Paix/Plankensteiner, IRZ 2015, S. 331 (333)).
Rn. 163b
Stand: EL 4...