1. Vorbemerkung
Rn. 46
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Nach § 258 Abs. 1 Nr. 2 AktG ist ein Sonderprüfer auch zu bestellen, wenn Anlass für die Annahme besteht, dass für den Anhang vorgeschriebene Angaben fehlen oder unvollständig sind. Es muss hinzukommen, dass die Mängel des Anhangs nicht durch eine adäquate Berichterstattung des Vorstands in der HV behoben wurden. Insoweit verlangt das Gesetz, dass trotz entsprechender Fragestellung in der HV der Vorstand die fehlenden oder unvollständigen Angaben nicht in der HV gemacht hat und die Aufnahme der (vergeblichen) Frage in die Niederschrift der HV verlangt wurde.
2. Fehlende oder unvollständige Angaben
Rn. 47
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Der Umfang der Berichtspflicht im Anhang ergibt sich aus den §§ 284ff. sowie hinsichtlich bestimmter rechtsformabhängiger Zusatzangaben aus den §§ 58 Abs. 2a, 131 Abs. 1 und 3, 152 Abs. 2f., 158 Abs. 1 und 160 AktG (vgl. im Einzelnen BeckOK-HGB (2021), § 284, Rn. 8ff.; HdR-E, HGB §§ 284–288, Rn. 911ff.). Allerdings ist zu beachten, dass einige der rechtsformabhängigen Zusatzangaben nicht zwingend im Anhang gemacht werden müssen, sondern – etwa im Fall der §§ 152 Abs. 2, § 152 Abs. 3 und 158 Abs. 1 Satz 2 AktG – die erforderlichen Angaben auch in der Bilanz (vgl. § 152 Abs. 2f. AktG) oder der GuV (vgl. § 158 Abs. 1 AktG) erfolgen können. Der Anhang ist i. S. v. § 258 AktG mangelhaft, wenn Angaben nicht vollständig erfolgt sind oder vollständig fehlen. Ein Mangel liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn eine – gesetzlich nicht vorgeschriebene, aber u. U. zweckmäßige – Fehlanzeige nicht abgegeben wurde (vgl. Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 9). Hingegen ist der Anhang auch unvollständig, wenn Informationen zwar erteilt werden, diese aber unzutreffend sind (vgl. ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 22; HdR-E, AktG § 258, Rn. 21).
Rn. 48
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Im Fall von unvollständigen, fehlenden oder falschen Angaben zu den Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden (vgl. § 284 Abs. 2 Nr. 1) steht das Institut der Sonderprüfung neben dem Recht des einzelnen Aktionärs auf Auskunft (vgl. ebenso MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn. 25). Jeder einzelne Aktionär kann insoweit ein Auskunftsverfahren einschließlich einer gerichtlichen Überprüfung der Auskunftsverweigerung in Gang setzen (vgl. § 132 AktG). Der Antrag auf gerichtliche Überprüfung nach § 132 AktG ist ebenfalls – wie der Antrag auf Sonderprüfung – fristgebunden; allerdings beträgt die Frist gemäß § 132 Abs. 2 Satz 2 AktG nur zwei Wochen ab der HV, in der die begehrte Auskunft abgelehnt wurde.
Rn. 49
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Kommt das Auskunftsverfahren nach §§ 131f. AktG alternativ zum Antrag auf Sonderprüfung in Betracht, so sprechen für die vorzugsweise Durchführung des Auskunftsverfahrens die niedrigeren Verfahrensvoraussetzungen und eine unmittelbare Entscheidung durch das Gericht, wohingegen das Sonderprüfungsverfahren wegen der Einbeziehung der Sonderprüfung grds. zeitaufwendiger sein wird, im Übrigen u. U. Schwierigkeiten dahingehend bestehen (können/werden), als der Antrag "nur von Aktionären gestellt werden [kann, d.Verf.], deren Anteile zusammen den Schwellenwert des § 142 Abs. 2 erreichen" (§ 258 Abs. 2 Satz 3 AktG).
3. Fragestellung in der Hauptversammlung/Protokollverlangen
Rn. 50
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Mängel des Anhangs rechtfertigen den Antrag auf Sonderprüfung nur, wenn der Vorstand die fehlenden, unvollständigen oder falschen Angaben in der HV nicht nachgetragen oder richtiggestellt hat. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Ergänzung aufgrund einer Frage eines Aktionärs oder ohne derartigen Anlass erfolgt. Werden Mängel des Anhangs in der HV nicht beseitigt, kommt es jedoch darauf an, ob die Aktionäre nach den Angaben in der HV gefragt haben (vgl. Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 10). An die Fragestellung durch die Aktionäre wird man angesichts des Informationsgefälles vom Vorstand zu den Aktionären keine hohen Anforderungen stellen dürfen. Es genügt demnach, wenn die Frage erkennen lässt, dass der Fragesteller gesetzlich vorgeschriebene Angaben im Anhang vermisst (vgl. so auch ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 25; Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 10; MünchKomm. AktG (2021), § 258, Rn. 29) oder im Fall der alternativ möglichen Angabe im Anhang oder der Bilanz bzw. der GuV die Angaben weder dort noch im Anhang zu finden sind. Allerdings wird man erwarten können, dass der Gegenstand der Frage sich zumindest auf eine bestimmte Art von Angaben bezieht, wobei eine Bezugnahme auf die im Gesetz anzutreffende Kategorisierung empfehlenswert ist (etwa: "Angaben nach § 284 Abs. 2 Nr. 1 HGB"). Eine Frage in der HV, die sich nur allg. auf "Angaben" bezieht, ist keine hinreichende Voraussetzung nach § 258 Abs. 1 Nr. 2 AktG, da der Vorstand dadurch nicht in die Lage versetzt wird, eine konkrete Antwort geben zu müssen. Die Antragsteller nach § 258 AktG und die Fragesteller in der HV müssen nicht identisch sein (vgl. ADS (1997), § 258 AktG, Rn. 26; Hüffer-AktG (2021), § 258, Rn. 10).
Rn. 51
Stand: EL 33 – ET: 09/2021
Der Vorstand hat – als weitere Antragsvoraussetzung – die gestellte Frage nicht oder unvollständig ...