Rn. 30
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Gemäß § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG führen Verletzungen der "Bestimmungen des Gesetzes oder der Satzung über die Einstellung von Beträgen in Kapital- oder Gewinnrücklagen oder über die Entnahme von Beträgen aus Kapital- oder Gewinnrücklagen" zur Nichtigkeit eines festgestellten JA (vgl. AktG-GroßKomm. (2022), § 58, Rn. 268ff.). Aus diesem Grund hat eine fehlerhafte Anwendung des § 270 eine weitreichende Konsequenz für den JA. Die Nichtigkeit kann jedoch nicht mehr geltend gemacht werden, wenn seit der Bekanntmachung des JA sechs Monate verstrichen sind (vgl. § 256 Abs. 6 Satz 1 AktG).
Im GmbHG existieren keine Vorschriften über die Nichtigkeit des JA. Jedoch ist die herrschende Lehre schon zum alten Recht davon ausgegangen, dass die Vorschriften des AktG analog anzuwenden sind; dies dürfte auch (weiterhin) nach geltendem Recht gelten (vgl. § 42a GmbHG).
Rn. 31
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Eine weitere Folge hängt von dem Zeitpunkt ab, in dem über die Rücklagendotierung beschlossen wird. Wird die Rücklagendotierung erst i. R.d. Feststellung der Bilanz vorgenommen, so ist der JA (bei mittelgroßen und großen KapG ebenso wie haftungsbeschränkten PersG i. S. d. § 264a) bereits geprüft und mit einem BV versehen. Soweit die HV einer AG, KGaA bzw. SE den JA feststellt, wird im Fall einer Änderung des JA – bei einer Rücklagendotierung ist eine solche Änderung gegeben – eine sog. Nachtragsprüfung gemäß § 316 Abs. 3 erforderlich (vgl. § 173 Abs. 3 AktG). Des Weiteren werden sämtliche Beschlüsse der HV über die Feststellung des JA und die Gewinnverwendung erst wirksam, wenn innerhalb von zwei Wochen seit der Beschlussfassung hinsichtlich der Änderung ein uneingeschränkter BV vorliegt (vgl. § 173 Abs. 3 AktG).
Für den Fall, dass i. R.d. Feststellung durch Vorstand und AR gemäß § 172 AktG eine weitere Rücklagendotierung beschlossen wird, beinhaltet das AktG keinen Hinweis auf eine Prüfung. Da bei der Vorlage des JA an den AR die Prüfung bereits beendet ist, ergibt sich ebenfalls die Notwendigkeit für eine Nachtragsprüfung gemäß § 316 Abs. 3. Jedoch ist es nicht erforderlich, bezüglich der Änderung einen gesonderten uneingeschränkten BV zu erteilen; vielmehr ist lediglich eine Ergänzung des bereits vorliegenden BV erforderlich (vgl. § 316 Abs. 3 Satz 2).
Rn. 32
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Im GmbHG mangelt es an einer vergleichbaren Regelung. Gemäß § 316 Abs. 3 hat jedoch bei einer Rücklagenzuführung auch bei einer prüfungspflichtigen GmbH eine Nachtragsprüfung mit entsprechender Ergänzung des BV gemäß § 316 Abs. 3 zu erfolgen.
Rn. 33
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Liegt die Feststellung des JA in der Hand der HV, weil sich Vorstand und AR nicht über die Feststellung des JA einigen konnten, so ergibt sich ein spezielles Problem aus den unterschiedlichen Vorschriften, die im Zusammenhang mit der Rücklagenzuführung in Abhängigkeit vom feststellenden Organ zu beachten sind.
Rn. 34
Stand: EL 37 – ET: 09/2022
Hatte der Vorstand – in der ursprünglichen Annahme der Feststellung des JA gemeinsam mit dem AR – gemäß § 58 Abs. 2 AktG und unter Beachtung des § 270 Zuführungen zu den Rücklagen bereits bei der Aufstellung des JA vorgenommen, so stellt sich die Frage, wie im Hinblick auf § 58 Abs. 1 und § 173 Abs. 2 Satz 2 AktG konkret zu verfahren ist. Nach Adler/Düring/Schmaltz bieten sich dafür zwei Wege an:
- „Der Vorstand ändert in Bezug auf die Rücklagenzuführung den JA, nachdem ihm die Nicht-Billigung durch den AR bekannt geworden ist oder er sich gemäß § 172 Satz 1 [AktG, d.Verf.] mit dem AR für die Feststellung durch die HV ausgesprochen hat [...]. Der Vorstand muß dabei die Zuführungen zu den Gewinnrücklagen nach § 58 Abs. 2 [AktG, d.Verf.] rückgängig machen und darf nur noch die Zuführung zu der gesetzlichen Rücklage nach § 150 [AktG, d.Verf.] und zu solchen Gewinnrücklagen vornehmen, die nach § 58 Abs. 1 [AktG, d.Verf.] satzungsgemäß zu bilden sind (vgl. § 173 Abs. 2 Satz 2 [AktG, d.Verf.]). Diese Änderungen können auch Änderungen anderer Bilanzposten (wie z. B. der Steuerrückstellungen) nach sich ziehen. Im Umfang der Änderung hat bei Prüfungspflicht eine Nachtragsprüfung stattzufinden (vgl. § 316 Abs. 3). Dieser so geänderte Abschluß wird der HV zur Feststellung vorgelegt.
- Der Vorstand legt den ursprünglichen, auch dem AR vorgelegten JA unverändert der HV vor. Der Vorstand hat aber die HV darauf hinzuweisen, daß sie den JA in der vorliegenden Form nicht feststellen kann, sondern daß sie zunächst die freiwilligen Rücklagenzuweisungen (nach § 58 Abs. 2 [AktG, d.Verf.]) rückgängig machen muß. Dies bedeutet, daß der Vorstand die HV insoweit zu einer Änderung des von ihm aufgestellten JA veranlaßt. Der geänderte JA unterliegt auch in diesem Fall nach § 173 Abs. 3 AktG, § 316 Abs. 3 der Nachtragsprüfung.
Beide vorgeschlagenen Verfahren führen dazu, daß unter Berücksichtigung der Vorschriften über die Nachtragsprüfung der JA in Bezug auf die Rücklagenbildung (vgl. §§ 58, 173 [AktG, d.Verf.]) ordnungsgemäß festgestellt werden...