Prof. Dr. Michael Dusemond, Prof. Christoph Hell
Rn. 99a
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Eine Erstprüfung liegt vor, wenn beim zu prüfenden UN ein Prüferwechsel stattgefunden hat oder zum ersten Mal eine JA-Prüfung durchgeführt wird (vgl. IDW PS 205 (2010), Rn. 1; ISA [DE] 510 (2020), Rn. 4; überdies Haufe HGB-Komm. (2022), § 321, Rn. 203; WP-HB (2021), Rn. M 692). Die Pflicht zu einer erstmaligen JA-Prüfung tritt bei neu gegründeten, prüfungspflichtigen UN ein oder bei UN, die zum zweiten Mal die Größenkriterien einer kleinen KapG (vgl. § 267 Abs. 1 i. V. m. Abs. 4) respektive ihr gleichgestellten PersG i. S. v. § 264a überschritten haben.
Rn. 99b
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Nachstehende Ausführungen gelten vom Grundsatz her analog für einen IFRS-EA nach § 325 Abs. 2a sowie einen (nach HGB oder IFRS) erstellten KA. Hierbei ist freilich zu beachten, dass sich die Pflicht zur Erstellung eines KA (und Konzernlageberichts), auch wenn dieser gemäß § 315e nach IFRS erstellt wird, stets aus den jeweils nationalen Regelungen ergibt, ergo sich die Aufstellungspflicht allein nach den §§ 290ff. bzw. § 11 PublG bestimmt (vgl. nur Dusemond/Küting/Wirth (2018), S. 143ff., m. w. N.). Gerade bei einem KA geht die Pflicht zur erstmaligen Prüfung stets einher mit der Pflicht zur erstmaligen Erstellung des KA (vgl. nur HdR-E, HGB § 316, Rn. 11ff.). Werden also erstmalig die Voraussetzungen der §§ 290ff. erfüllt, existiert somit mindestens ein einbeziehungspflichtiges TU und wird kein KA mit befreiender Wirkung nach den §§ 291f. erstellt oder liegen keine größenabhängigen Befreiungen nach § 293 vor, ist ein KA und Konzernlagebericht zu erstellen, der zudem der Prüfungspflicht unterliegt.
Rn. 99c
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Eine Erstprüfung birgt für den AP stets ein erhöhtes Risiko, da er über keine Erkenntnisse aus einer eigenen VJ-Prüfung verfügt (vgl. ebenso WP-HB (2021), Rn. M 693). Nach § 265 Abs. 2 Satz 1 ist in der Bilanz und GuV zu jeder Position der entsprechende Betrag des VJ anzugeben. Diese Angaben unterliegen als Bestandteil des JA der Prüfung nach den §§ 316ff. (vgl. nur IDW PS 205 (2010), Rn. 14, mit einer Auflistung ggf. erforderlicher Prüfungshandlungen). Demzufolge werden insbesondere die VJ-Werte und in diesem Zusammenhang auch die Eröffnungsbilanzwerte einen bedeutenden Prüfungsschwerpunkt i. R.d. ersten eigenen JA-Prüfung bei betreffendem UN darstellen (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 271; WP-HB (2021), Rn. M 693). Daraus resultieren zusätzliche Prüfungshandlungen (vgl. WP-HB (2021), Rn. M 694, mit einigen Beispielen), deren Art und Umfang im Prüfungsbericht darzulegen sind (vgl. IDW PS 450 (2021), Rn. 57f.; IDW PS 205 (2010), Rn. 18).
Rn. 99d
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Bei Erstprüfungen infolge eines Prüferwechsels kann der AP i. d. R. die von einem anderen AP geprüften VJ-Zahlen übernehmen (vgl. IDW PS 205 (2010), Rn. 12, mit der Nennung weiterer Prüfungshandlungen, falls aus der Durchsicht des VJ-Prüfungsberichts und der Erörterung bedeutender Sachverhalte mit dem VJ-AP nicht ausreichende Prüfungsnachweise erlangt werden können; zur Berichtspflicht des bisherigen AP sowie zum Informationsrecht des neuen AP ausführlich HdR-E, HGB § 321, Rn. 100ff.). In diesen Fällen dürfte eine Erstprüfung (weitgehend) unproblematisch sein. Unabhängig davon, kann und sollte der AP im Prüfungsbericht darauf hinweisen, dass der VJ-Abschluss von einem anderen AP geprüft worden ist (vgl. HdR-E, HGB § 321, Rn. 103); gleichzeitig sollte er seine diesbezüglich eigenen Prüfungshandlungen darlegen, wobei die betreffenden Ausführungen dazu im Prüfungsbericht in Abhängigkeit des jeweiligen Einzelfalls länger oder kürzer ausfallen können (vgl. WP-HB (2021), Rn. M 695).
Rn. 99e
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Im Prüfungsbericht ist bezüglich der Eröffnungsbilanzwerte i. R.d. Feststellungen zur Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der weiteren geprüften Unterlagen festzustellen, ob diese ordnungsgemäß aus dem VJ-Abschluss übernommen wurden (vgl. IDW PS 450 (2021), Rn. 68; IDW PS 205 (2010), Rn. 18; fernerhin Haufe HGB-Komm. (2022), § 321, Rn. 204; WP-HB (2021), Rn. M 696). Sollten sich im Zusammenhang mit der Prüfung der Eröffnungsbilanzwerte Einwendungen oder Prüfungshemmnisse ergeben, ist dies im Prüfungsbericht darzustellen; zugleich sind mögliche Auswirkungen auf die Prüfungsurteile im BV zu prüfen (vgl. WP-HB (2021), Rn. M 696; zum BV ausführlich HdR-E, HGB § 322, Rn. 84ff.).
Rn. 99f
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Bei Erstprüfungen aufgrund erstmaliger Prüfungspflicht ergeben sich für den AP jedoch in erhöhtem Maße Schwierigkeiten, da keine geprüften Zahlen des VJ-Abschlusses zur Verfügung stehen. Der AP muss deshalb die VJ-Zahlen in seine Prüfung einbeziehen, insoweit sie sich auf den neuen JA auswirken (vgl. IDW PS 205 (2010), Rn. 8f., 14; IDW PS 300 (2016), Rn. 5f.; IDW PS 318 (2010), Rn. 15; IDW RS HFA 39 (2011), Rn. 1ff.; überdies Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 271; WP-HB (2021), Rn. M 693f.). Er muss demnach prüfen, ob die Bilanzansätze für die einzelnen Bilanzpositionen in der E...