Prof. Dr. Michael Dusemond, Prof. Christoph Hell
Rn. 76
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Nach § 91 Abs. 2 AktG hat der Vorstand einer AG, KGaA bzw. SE geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden. Bei börsennotierten AG, KGaA oder SE (i. S. d. § 3 Abs. 2 AktG) ist die Eignung dieser Maßnahmen und vornehmlich die Funktionsfähigkeit des Überwachungssystems durch den AP zu überprüfen (vgl. § 317 Abs. 4). Außerdem besteht diesbezüglich eine Prüfungspflicht für alle § 53 HGrG unterliegenden UN, unabhängig von deren Rechtsform. Eine Prüfung analog § 317 Abs. 4 ist aber auch ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen für eine Prüfungspflicht erforderlich, wenn der Prüfungsauftrag durch den AR entsprechend erweitert wurde (vgl. Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 135; Eggemann/Konradt, BB 2000, S. 503 (506); WP-HB (2021), Rn. M 469; Kohlhoff/Langenhan/Zorn (ZIR 2000, S. 2 (3f.)) gehen davon aus, dass diese Möglichkeit verstärkt von UN zum Zwecke der Profilierung nach außen genutzt werden wird). Nach § 321 Abs. 4 ist das Prüfungsergebnis in einem besonderen Teil des Prüfungsberichts darzustellen. Es ist dabei darauf einzugehen, ob Maßnahmen erforderlich sind, um das interne Überwachungssystem zu verbessern (vgl. IDW PS 450 (2021), Rn. 104; zur Prüfung des Risikofrüherkennungssystems IDW PS 340 (2022), Rn. 1ff., sowie zur Berichterstattung Rn. 47ff.).
Rn. 76a
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Wird das konzernweit eingerichtete Risikofrüherkennungssystem geprüft, sind i. R.d. KA-Prüfung entsprechende Angaben im Prüfungsbericht zum JA des MU zu machen (vgl. IDW PS 340 (2022), Rn. A53; überdies ADS (2000), § 321, Rn. 136; Haufe HGB-Komm. (2022), § 321, Rn. 135; WP-HB (2021), Rn. M 455). In diesem Zusammenhang kann es allerdings sinnvoll sein, mit dem AP zu vereinbaren, im Prüfungsbericht über die KA-Prüfung auf die entsprechenden Ausführungen zur Prüfung im Prüfungsbericht über die JA-Prüfung des MU zu verweisen oder diese sogar in den Prüfungsbericht des KA zu übernehmen (vgl. IDW PS 340 (2022), Rn. A53). Dies setzt jedoch voraus, dass der AP des JA des MU auch zugleich der AP für den KA ist.
Rn. 77
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Die Maßnahmen zur Früherkennung von Bestandsrisiken nach § 91 Abs. 2 AktG erschöpfen sich nicht in der Einrichtung eines herkömmlichen IKS. Das Risikofrüherkennungssystem ist vielmehr Teil eines umfassenden Risikomanagementsystems (vgl. IDW PS 340 (2022), Rn. 3), welches mehrere unterschiedliche Regelkreise als Elemente umfasst und zu dessen Funktionsfähigkeit u. a. das IKS beitragen soll (vgl. BeckOGK-AktG (2022), § 91, Rn. 48ff., m. w. N.; Spindler, in: FS Ballwieser (2014), S. 849 ff.; Lück, BB 1998, S. 1925 (1926ff.); Lück, DB 2000, S. 1473 (1475ff.)). Für die Prüfung des Risikofrüherkennungs- und Überwachungssystems existiert kein einheitliches gesetzlich definiertes Soll-Objekt; die konkrete Ausgestaltung ist UN-individuell und abhängig von den Markt- und Wettbewerbsverhältnissen (vgl. Spindler, in: FS Ballwieser (2014), S. 849 (855ff.); Lehner (1999), S. 27f.; Giese, WPg 1998, S. 451ff.). Die Prüfung nach § 317 Abs. 4 ist somit eine auf Plausibilität gerichtete systemorientierte Prozessprüfung (vgl. insbesondere im Detail IDW PS 340 (2022), Rn. 1ff.).
Rn. 78
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Weil der Prüfungsbericht nicht den Charakter eines detaillierten Organisationsgutachtens annehmen soll, verlangt § 321 Abs. 4 vom AP keine eingehende Darstellung der von der Geschäftsführung getroffenen Maßnahmen (vgl. IDW PS 450 (2021), Rn. 104; überdies ADS (2000), § 321, Rn. 138; Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 137; BeckOGK-HGB (2021), § 321, Rn. 73; WP-HB (2021), Rn. M 457). Gelangt der WP zu einem positiven Urteil über die Eignung des Früherkennungssystems, so genügt eine Feststellung dieses Befunds durch eine standardisierte Formulierung, die nach Ansicht des IDW wie folgt lauten kann (vgl. IDW PS 450 (2021), Rn. 105 i. V. m. IDW PS 340 (2022), Rn. 49; fernerhin Beck Bil-Komm. (2022), § 321 HGB, Rn. 137; WP-HB (2021), Rn. M 560):
"Unsere Prüfung hat ergeben, dass der Vorstand die nach § 91 Abs. 2 AktG geforderten Maßnahmen, insbesondere zur Errichtung eines Überwachungssystems, in geeigneter Weise getroffen hat und dass das Überwachungssystem in allen wesentlichen Belangen geeignet ist, Entwicklungen, die den Fortbestand der Gesellschaft gefährden, mit hinreichender Sicherheit frühzeitig zu erkennen."
Rn. 78a
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Gelangt der AP dagegen zu der Überzeugung, dass das eingerichtete System nicht geeignet ist, seine Aufgaben zu erfüllen, und somit Verbesserungsmaßnahmen notwendig sind, so ist dies i. R.d. Berichtspflicht des AP im Prüfungsbericht ausdrücklich festzustellen und zu begründen; festgestellte Mängel sind darzulegen (vgl. IDW PS 340 (2022), Rn. 53, 55, A56f.; WP-HB (2021), Rn. M 461, 463). Aus dem Gesetzeswortlaut ergibt sich jedoch keine Verpflichtung, konkrete Verbesserungsvorschläge aufzuzeigen. Auch wegen des E...