Prof. Dr. Dr. h.c. Jörg Baetge, Prof. Dr. Stefan Thiele
Rn. 47
Stand: EL 44 – ET: 12/2024
JA und Lageberichte sowie KA und Konzernlageberichte prüfungspflichtiger Gesellschaften dürfen grds. nur von WP oder WPG geprüft werden (vgl. § 319 Abs. 1 Satz 1); eine Ausnahme gilt lediglich für mittelgroße GmbH sowie mittelgroße PersG i. S. d. § 264a Abs. 1, deren JA und Lageberichte auch von vBP bzw. BPG geprüft werden dürfen (vgl. § 319 Abs. 1 Satz 2).
Rn. 48
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Abschlüsse dürfen auch durch mehrere Einzelprüfer bzw. Prüfungsgesellschaften geprüft werden (vgl. BT-Drs. 10/4268, S. 117). Bei diesen sog. Joint Audits bzw. Gemeinschaftsprüfungen sind mehrere AP zu wählen und zu bestellen. Unzulässig ist die Wahl mehrerer Prüfer durch die Gesellschaftsorgane mit der Maßgabe, dass nur einem oder einigen dieser Prüfer der Prüfungsauftrag erteilt werden soll (vgl. ADS (2000), § 318, Rn. 89). Die rechtliche Stellung mehrerer gewählter AP zueinander sowie zur prüfungspflichtigen Gesellschaft ist abhängig vom Wahlbeschluss der Gesellschafter. Zu diskutieren sind
(a) |
die Wahl mehrerer Prüfer mit der Verpflichtung zur gemeinsamen Durchführung der AP, |
(b) |
die Wahl mehrerer Prüfer mit der Verpflichtung, die Prüfung nebeneinander durchzuführen, |
(c) |
die Wahl mehrerer Prüfer mit der Vorgabe, dass jeder Prüfer für einen bestimmten Aufgabenbereich verantwortlich sein soll, und |
(d) |
die Wahl eines Ersatzprüfers, der erst bei einem Wegfall des zunächst gewählten AP tätig werden darf. |
Rn. 49
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Ad (a): Zweifelsfrei zulässig ist es, mehrere Prüfer gemeinsam mit der AP zu betrauen. Dies ergibt sich seit der Umsetzung des Art. 28 Abs. 3 der AP-R 2006/43/EG (ABl. EU, L 157/87ff. vom 09.06.2006, ABl. EU, L 158/196ff. vom 27.05.2014) durch das Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG) vom 10.05.2016 (BGBl. I 2016, S. 1142ff.) unmittelbar aus § 322 Abs. 6a. Die Verpflichtung mehrerer AP kann entweder in der Satzung bzw. im Gesellschaftsvertrag festgelegt sein oder auf Vorschlag der zuständigen Gesellschaftsorgane jährlich neu beschlossen werden. Wählt die HV bzw. Gesellschafterversammlung mehrere Prüfer, so muss, wenn der Wahlbeschluss nicht ausdrücklich etwas anderes vorsieht, davon ausgegangen werden, dass die Prüfer gemeinsam prüfen, den Prüfungsbericht gemeinsam erstellen und den BV gemeinsam erteilen. So sieht auch Art. 28 Abs. 3 der AP-R einen gemeinsamen Vermerk vor (vgl. Beck Bil-Komm. (2024), § 322 HGB, Rn. 280). Dem Prinzip einer grds. gemeinsam ausgeführten Prüfung steht nicht entgegen, dass einzelne Prüfungsgebiete zwischen den Prüfern eigenverantwortlich aufgeteilt werden, solange die gemeinsame Verantwortung für das Prüfungsergebnis bestehen bleibt (vgl. ADS (2000), § 318, Rn. 67; überdies IDW PS 208 (2021), Rn. 17). So wäre es denkbar, dass die Prüfung aller automatisierten Verarbeitungsvorgänge einem speziell ausgebildeten Prüfer oder einer bestimmten Prüfungsgesellschaft übertragen wird. Allerdings ist zu beachten, dass die Entscheidungsfreiheit jedes einzelnen Prüfers über die Erteilung, Einschränkung oder Versagung des BV auch durch die Verpflichtung zur gemeinsamen Abgabe des Prüfungsurteils unberührt bleibt. Jeder der beteiligten Prüfer hat sich ein eigenes Urteil zu bilden (vgl. IDW PS 208 (2021), Rn. 15). Entscheidet sich ein Prüfer für die Erteilung eines BV, während der andere Prüfer Vorbehalte geltend macht, also keine einheitliche Begründung möglich ist, sind die Gründe hierfür darzulegen und die Beurteilung der jeweiligen Prüfer ist jeweils in einem gesonderten Absatz darzustellen (vgl. § 322 Abs. 6a). Fällt einer der durch die HV bzw. Gesellschafterversammlung gewählten Prüfer z. B. durch Krankheit oder Tod weg, muss für diesen ein Ersatzprüfer bestellt werden, da die Zahl der durch die HV gewählten Prüfer bindend ist (vgl. MünchKomm. HGB (2024), § 318, Rn 26). Dieser Grundsatz ist allerdings insofern dispositiv, als die Gesellschafter bei der Wahl der Prüfer festlegen können, dass im Falle der Nichtannahme des Auftrags, der Nichtigkeit der Wahl oder des Wegfalls eines Prüfers die verbleibenden Prüfer die Prüfung allein beenden sollen (vgl. MünchKomm. AktG (1973), § 163 AktG, Rn. 10; ADS (2000), § 318, Rn. 72). Besteht kein derartiger Beschluss, kann der neu hinzukommende Prüfer dann entweder durch eine außerordentliche HV gewählt oder durch das Gericht nach Maßgabe des Verfahrens gemäß § 318 Abs. 4 bestellt werden.
Rn. 50
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Ad (b): Im Schrifttum erörtert wurde auch ein Wahlbeschluss mit dem Inhalt, dass mehrere Prüfer den JA nebeneinander und unabhängig voneinander prüfen. In diesem Fall müssten zwei Testate unabhängig voneinander erteilt und zwei Prüfungsberichte verfasst werden (vgl. z. B. Lutter, in: FS Semler (1993), S. 835 (850)). Gegen eine Zulässigkeit der Wahl zweier unabhängig voneinander tätiger AP spricht, dass die gesetzliche Grundkonzeption von einer JA-Prüfung ausgeht (vgl. MünchKomm. AktG (1973), § 163 AktG, Rn. 12) und die Abschlussadressaten berechtigterweise ein abschließendes Urteil in Form e...