Prof. Dr. Martin Henssler, Dr. David Markworth
Rn. 25
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Die Beweislast für das Vorliegen einer (nachteiligen) Veranlassung liegt grds. bei demjenigen, der den Nachteilsausgleich durch das beherrschende UN erreichen möchte. In der Praxis wird die Beweisführung vielfach aber erheblich erschwert oder sogar nahezu ausgeschlossen sein, wenn die Einflussnahme – wie i. d. R. – auf informellem Wege ohne nachprüfbaren Schriftverkehr oder Absprachen erfolgt ist. Dem durch § 311 AktG geschützten Personenkreis, insbesondere den außenstehenden Aktionären und Gläubigern (vgl. zudem KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 32, ebenso wie Hüffer-AktG (2022), § 311 AktG, Rn. 18, jeweils auch die abhängige Gesellschaft selbst über Beweiserleichterungen entlasten wollend, obwohl die Beweisnot hier nicht die Regel sein wird; Ausnahme: informelle Absprachen), müssen daher Beweiserleichterungen zugutekommen, sollte das Regelungsanliegen dieser Norm verwirklicht werden. Einzelheiten dieser im Grundsatz allg. befürworteten Beweiserleichterung sind indes umstritten (vgl. dies ebenso offen lassend auch BGH, Urteil vom 31.05.2011, II ZR 141/09, NZG 2011, S. 829 (833)). Die Meinungsverschiedenheiten beziehen sich insbesondere auf die Frage, ob dem Anspruchsteller durch eine Veranlassungsvermutung (vgl. BGH, Urteil vom 01.03.1999, II ZR 312/97, BGHZ 141, S. 79 (83); MünchKomm. AktG (2020), § 311, Rn. 90ff.; Altmeppen, in: FS Priester (2007), S. 1 (5ff.); einschränkend Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 19f.) oder nur über einen Beweis des ersten Anscheins (vgl. OLG Jena, Urteil vom 25.04.2007, 6 U 947/05, NZG 2008, S. 275 (278); KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 33; KK-AktG (2004), § 311, Rn. 10; BeckOGK-AktG (2022), § 311, Rn. 86; Eschenbruch (1996), S. 250f.) zu helfen ist.
Rn. 26
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Eine zu einer Beweislastumkehr führende Vermutung für eine Veranlassung eines als nachteilig festgestellten Rechtsgeschäfts durch das beherrschende UN besteht namentlich in den Fällen der personellen Verflechtung auf Ebene der Geschäftsführung. Sie ist ein Kennzeichen für ein besonders intensiv ausgeprägtes Abhängigkeitsverhältnis (vgl. HdR-E, AktG § 311, Rn. 20; für eine unwiderlegbare Vermutung der Veranlassung LG Köln, Urteil vom 23.11.2007, 82 O 214/06, AG 2008, S. 327 (331f.); Bayer/Lieder, AG 2010, S. 885 (886); die Widerlegbarkeit bejahend: MünchKomm. AktG (2020), § 311, Rn. 107; KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 35; Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 21f.; Henssler/Strohn (2021), § 311 AktG, Rn. 40; BeckOGK-AktG (2022), § 311, Rn. 87). Bei personellen Verflechtungen auf Ebene des AR greift dagegen nur der Beweis des ersten Anscheins (vgl. Hölters-AktG (2022), § 311, Rn. 79; BeckOGK-AktG (2022), § 311, Rn. 87), da sie keine unmittelbaren Möglichkeiten der Einflussnahme vermitteln.
Rn. 27
Stand: EL 39 – ET: 06/2023
Im Übrigen liegt ein Indiz für die Veranlassung eines nachteiligen Rechtsgeschäfts bzw. einer entsprechenden Maßnahme stets dann vor, wenn das beherrschende UN Vorteile hieraus gezogen hat (vgl. MünchKomm. AktG (2020), § 311, Rn. 91; KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 33; in diesem Fall eine Vermutung für eine Veranlassung bejahend: Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 20). Die im aktienrechtlichen Schrifttum früher h. M. bejahte weitergehend für Konzernverhältnisse i. S. v. § 18 AktG stets einen Vermutungstatbestand (vgl. mit a. A. heute etwa KonzernR (2022), § 311 AktG, Rn. 34), immer noch wird zumindest teilweise bereits bei einer einfachen Abhängigkeit der Beweis des ersten Anscheins angenommen (vgl. Hölters-AktG (2022), § 311, Rn. 77; a. A. Hüffer-AktG (2022), § 311, Rn. 20). Die Rspr. hat dagegen selbst für qualifiziert faktische Konzernverbindungen eine strikte Beweislastumkehr mit Recht abgelehnt (vgl. BVerfG, Urteil vom 07.09.2011, 1 BvR 1460/10, NZG 2011, S. 1379 (1381); BGH, Urteil vom 29.03.1993, II ZR 265/91, BGHZ 122, S. 123 (131)). Entsprechend muss auch derjenige, der Ansprüche nach den §§ 311ff. AktG geltend macht, Anhaltspunkte darlegen und ggf. beweisen, die darauf hindeuten, dass die Belange der abhängigen Gesellschaft bei der veranlassten Maßnahme bzw. dem veranlassten Rechtsgeschäft nicht hinreichend berücksichtigt wurden (vgl. Eschenbruch (1996), S. 251; KK-AktG (2004), § 311, Rn. 11). Dem abhängigen UN kann jedoch ein auf die Treuepflicht gestützter Auskunftsanspruch gegen das beherrschende UN zustehen, um die aus einer Maßnahme i. S. d. § 311 AktG resultierenden Nachteile bzw. die Angemessenheit eines avisierten Nachteilsausgleichs beurteilen zu können (vgl. Pöschke, ZGR 2015, S. 550ff.; HdR-E, AktG § 311, Rn. 82).