Rn. 65
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Der Beschluss über die Feststellung des JA kann nichtig sein. Das GmbHG enthält hierzu jedoch keine Vorschriften. Die Regelung des § 42g GmbHG-E ist nicht Gesetz geworden. Zur Begründung führt der Gesetzgeber aus: "Die Entwicklung von Grundsätzen, in welchen Fällen der JA der GmbH nichtig ist, kann weiterhin der Rechtsprechung überlassen bleiben. Als Grundlage kann weiterhin auf § 256 AktG zurückgegriffen werden" (BT-Drs. 10/4268, S. 130f.). Eine entsprechende Anwendung von § 256 AktG führt für den JA einer GmbH zur Ableitung folgender Nichtigkeitsgründe.
1. Nichtigkeitsgründe
a) Nichtbeachtung von Verfahrensvorschriften bei der Feststellung
Rn. 66
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Wird der JA durch die Gesellschafterversammlung beschlossen, ist der Beschluss nichtig, wenn folgende Einberufungsmängel vorliegen (analog §§ 256 Abs. 3, 121 Abs. 2f. AktG): Die Versammlung ist durch einen Unbefugten einberufen, z. B. durch den Mehrheitsgesellschafter, sofern der Geschäftsführer zuständig ist (vgl. § 49 Abs. 1 GmbHG). Nichtigkeit tritt ferner ein, wenn nicht sämtliche Gesellschafter geladen und/oder Zeit und Ort der Versammlung nicht richtig angegeben waren. Die Verletzung von Ladungsfristen führt nur zur Anfechtbarkeit (vgl. Lutter/Hommelhoff (2023), Anhang zu § 47 GmbHG, Rn. 46). Die Nichtigkeitsfolge tritt nicht ein, wenn trotz formeller Ladungsmängel sämtliche Gesellschafter bei der Beschlussfassung anwesend oder vertreten sind (vgl. Lutter/Hommelhoff (2023), Anhang zu § 47 GmbHG, Rn. 14).
Wird der JA durch ein anderes Gremium festgestellt (z. B. Gesellschafterausschuss, Beirat, AR), so tritt Nichtigkeit ein, wenn eine zur Mitwirkung berufene Person nicht ordnungsgemäß mitgewirkt hat (analog § 256 Abs. 2 AktG), z. B. zu der Bilanzsitzung nicht eingeladen und auch tatsächlich nicht anwesend war.
b) Fehlen einer ordnungsgemäßen Abschlussprüfung
Rn. 67
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Nach § 316 Abs. 1 sind große und mittelgroße GmbH prüfungspflichtig. Ist entgegen dieser Vorschrift keine AP durchgeführt worden, so ist der festgestellte JA nichtig (analog § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG). Das Gleiche gilt, wenn der Abschluss von Personen geprüft worden ist, die nicht hätten zum AP bestellt werden dürfen oder nach § 319 Abs. 1 oder Art. 25 EGHGB keine AP sind (analog § 256 Abs. 1 Nr. 3 AktG; vgl. BeckOK-HGB (2024), § 319, Rn. 7). Schließlich tritt Nichtigkeit ein, falls ein geprüfter Abschluss geändert wird (z. B. durch die Gesellschafterversammlung) und der geänderte Abschluss nicht geprüft ist (analog § 256 Abs. 1 Nr. 2 AktG; vgl. § 316 Abs. 3).
c) Verletzung von Vorschriften zur Einstellung in oder Entnahme aus Rücklagen
Rn. 68
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Für eine GmbH ist in einigen Sonderfällen die Bildung von Rücklagen gesetzlich vorgeschrieben. So ist der Gegenwert für die Einziehung von Nachschüssen gemäß § 42 Abs. 2 Satz 3 GmbHG in die Kap.-Rücklage einzustellen. Ferner sind die Rücklagenbildungen nach § 272 Abs. 2 und 4 zu nennen (Aufgelder, Zuzahlungen der Gesellschafter für Anteile an einem herrschenden oder mit Mehrheit beteiligten UN). Daneben kann die Satzung die Bildung von Rücklagen vorschreiben.
Werden die vorstehend zitierten gesetzlichen Vorschriften zur Bildung von Rücklagen verletzt, ist der Abschluss nichtig (analog § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG). Fraglich ist, ob auch bei der Verletzung von Satzungsbestimmungen über Rücklagenbildung oder -auflösung Nichtigkeit eintritt. § 256 Abs. 1 Nr. 4 AktG schreibt dies für eine AG/KGaA/SE vor. Für die Frage, ob dieser Grundsatz auf die GmbH übertragen werden kann, spielt eine Rolle, dass der Aktionär den Abschluss einer AG/KGaA/SE nicht mit der Begründung anfechten kann, sein Inhalt verstoße gegen Gesetz oder Satzung (vgl. § 257 Abs. 1 Satz 2 AktG). Diese Anfechtungsmöglichkeit steht dem GmbH-Gesellschafter jedoch zu. Aus diesem Grund wird man bei einer Verletzung von Satzungsbestimmungen über Rücklagenbewegungen keine Nichtigkeit des Abschlusses annehmen können (vgl. so auch Scholz-GmbHG (2021), § 46, Rn. 37).
d) Verstoß gegen Gliederungsvorschriften
Rn. 69
Stand: EL 43 – ET: 08/2024
Nach § 256 Abs. 4 AktG ist der aktienrechtliche JA wegen Verstoßes gegen die Vorschriften über die Gliederung des JA "nur nichtig, wenn seine Klarheit und Übersichtlichkeit dadurch wesentlich beeinträchtigt sind". Gleiches gilt bei der Nichtbeachtung von Formblättern, sofern diese gesetzlich vorgeschrieben sind (z. B. für Banken und Versicherungen). Diese Vorschrift wird analog auf die GmbH anzuwenden sein, nachdem für die GmbH wie für die AG/KGaA/SE Gliederungsvorschriften erlassen worden sind (vgl. §§ 266ff.; ferner Rowedder-GmbHG (2022), § 47, Rn. 8). Nichtigkeit tritt jedoch nur ein, sofern Klarheit und Übersichtlichkeit wesentlich beeinträchtigt sind. Das kann nur angenommen werden, wenn die Beträge, um deren unrichtigen Ausweis es geht, im Verhältnis zur BS oder – in der GuV – im Verhältnis zu der Summe aller Erträge oder Aufwendungen von Gewicht sind. Sind die Gliederungsverstöße im Hinblick auf ihre Höhe von Gewicht, so ist weiter die Qualität des Verstoßes von Bedeutung. Werden etwa innerhalb der Gruppe "Vorräte" die unfertigen Erzeugnisse unrichtigerweise den fertigen Erzeugnissen zugerechnet, so wird man diesen Fehler...