Tz. 59
Die gesetzlichen Regelungen zur kaufmännischen Rechnungslegung finden sich im Dritten Buch des HGB. Das ist konsequent, denn Rechnungslegung und Bilanzierung sind kein Spezifikum der unternehmenstragenden Gesellschaft, sondern eine allgemeine Anforderung an die Handelsbücher und – darauf aufbauend – die Rechnungslegung des Kaufmanns, sei er Einzelkaufmann (natürliche Person), Personenhandelsgesellschaft (OHG, KG) oder Körperschaft (GmbH, AG). Daher war es richtig, die Rechnungslegung der AG im Zuge der Umsetzung der 4. und 7. gesellschaftsrechtlichen Richtlinie durch das Bilanzrichtliniengesetz (BiRiLiG) von 1985 aus dem AktG in das dritte Buch des HGB zurückzuführen und dort in ein schlüssiges Gesamtsystem einzufügen, das beim Einzelkaufmann ansetzt (erste Stufe) und auf dessen Pflichtenprogramm zusätzliche Pflichten für Kapitalgesellschaften (zweite Stufe), Konzerne (dritte Stufe), kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften (vierte Stufe) sowie spezifische Pflichten für Gesellschaften beaufsichtigter Branchen (Kreditinstitute, Finanzdienstleitungsinstitute, Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds, fünfte Stufe) aufsetzt.
Tz. 60
Neben der handelsrechtlichen Rechnungslegung nach HGB und ergänzenden Gesetzen gibt es auch eine bürgerlich-rechtliche Rechnungslegung nach dem BGB, siehe insbesondere §§ 259, 260 BGB. Sie besteht im Unterschied zur handelsrechtlichen Rechnungslegungspflicht allerdings nicht allgemein, sondern folgt aus einem bestimmten Rechtsgrund, namentlich einem bestimmten Schuldverhältnis.
Tz. 61
In der inneren Struktur folgt das Dritte Buch vier Aufbauprinzipien: vom Einfachen zum Komplizierten (Kaufleute §§ 238–263 HGB, unabhängige Kapitalgesellschaften §§ 264–289a HGB einschließlich der GmbH & Co. §§ 264a–c HGB, Konzern §§ 290–315a HGB); vom Allgemeinen zum Besonderen (Vorschriften für alle Kaufleute einschließlich der Kapitalgesellschaften §§ 238–263 HGB, ergänzende Vorschriften für Kapitalgesellschaften §§ 264–335b HGB, ergänzende Vorschriften für eingetragene Genossenschaften §§ 336–339 HGB, ergänzende Vorschriften für Unternehmen bestimmter Geschäftszweige §§ 340–341p HGB); in zeitlicher Reihenfolge vom Anfang zum Ende (Buchführung §§ 238–241a HGB, Bilanz und Jahresabschluss §§ 242–256a HGB, Aufbewahrung und Vorlage §§ 257–261 HGB; Jahresabschluss §§ 264–289a HGB, Prüfung §§ 316–324a HGB, Offenlegung §§ 325–329 HGB) und materielle Vorschriften (§§ 238–341p HGB) vor institutionellen Regelungen (§§ 342, 342a HGB Privates Rechnungslegungsgremium; Rechnungslegungsbeirat; §§ 342b–342e HGB Prüfstelle für Rechnungslegung). Aus Praktikabilitätsgründen wird davon innerhalb des 2. Abschnitts vereinzelt abgewichen. So stehen etwa die Gliederungsvorschriften für die Bilanz und die Gewinn- und Verlustrechnung für die großen Kapitalgesellschaften (§§ 266, 275 HGB) vor den Erleichterungen dazu für kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften (§§ 266 Abs. 1 Satz 3, 267, 276 HGB).
Tz. 62
Mit dieser inneren Struktur des dritten Buchs sind wichtige inhaltliche Vorgaben verknüpft. Durch die klare Einteilung in einen Ersten Abschnitt, der für Einzelkaufleute und Personenhandelsgesellschaften abschließend und darüber hinaus für alle anderen Kaufleute und gleichgestellte Gesellschaften (OHG, KG, GmbH, AktG, KGaA, EWIV) gilt, und einen Zweiten Abschnitt für Kapitalgesellschaften und Kapitalgesellschaften & Co. soll ausdrücklich der früheren Tendenz nach Erlass des AktG 1965 Einhalt geboten werden, die strengen Rechnungslegungsvorschriften für Kapitalgesellschaften auf Personengesellschaften und Einzelkaufleute entsprechend anzuwenden (think small first anstelle des früheren think big first). Ergänzend wurde mit dem BilMoG 2009 § 241a HGB eingefügt, durch den kleine Kaufleute von der Buchführungspflicht befreit werden. Darüber hinaus soll durch eine an Bilanzsumme, Umsatzerlös und Mitarbeiterzahl orientierte Differenzierung nach Größenklassen dem Bedürfnis nach angemessener "Dosierung" der Rechnungslegungs- und Offenlegungsanforderungen Rechnung getragen werden. So wird zwischen den Kategorien der kleinen, der mittleren und der großen Unternehmen unterschieden (§ 267 HGB). Dabei ist zu beachten, dass der deutsche Gesetzgeber die Möglichkeit genutzt hat, von den Mindestvorgaben der europäischen Rechnungslegungsharmonisierung nach oben abzuweichen (dazu die folgenden Übersichten, vgl. Tz. 63, 64). Im MicroBilG 2012 ist der Gesetzgeber mit der Einführung einer neuen Größenkategorie am unteren Ende der Skala noch einen Schritt weiter gegangen und hat Erleichterungen bzw. Befreiungen für sog. Kleinstkapitalgesellschaften (Definition in § 267a Abs. 1 HGB: höchstens 350.000 EUR Bilanzsumme und 700.000 EUR Umsatz in den letzten 12 Monaten vor dem Stichtag und 10 Arbeitnehmer im Jahresdurchschnitt) vorgesehen. Und am untersten Ende der Skala wurden die kleinen Kaufleute (nicht mehr als 500.000 EUR Umsatzerlöse und 50.000 EUR Jahresüberschuss an den Abschlussstichtagen von zwei aufeinanderfolgenden...