Tz. 271
Für die Jahresabschlüsse kapitalmarktorientierter Unternehmen wurde zur Durchsetzung der bilanzrechtlichen Anforderung neben der Abschlussprüfung und der Prüfung auf Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen durch den Betreiber des Bundesanzeigers eine weitere Prüfungsinstanz eingerichtet. Es handelt sich um das so genannte Enforcement -System. Darunter versteht man die Überwachung der vorschriftsgemäßen Rechnungslegung durch eine außerhalb des Unternehmens stehende unabhängige Stelle. Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem BilKoG von 2004 die Deutsche Prüfstelle für Rechnungslegung (DPR, engl. Financial Reporting Enforcement Panel, FREP) als externe Kontrollorganisation für die Rechnungslegung kapitalmarktorientierter Unternehmen geschaffen, um das nach den Bilanzskandalen in der Zeit nach der Jahrtausendwende verloren gegangene Anlegervertrauen in die Unternehmensabschlüsse wiederherzustellen. Die Prüfung ist zweistufig ausgestaltet und ergänzt das herkömmliche Überwachungssystem des Kapitalgesellschaftsrechts aus Aufsichtsrat und Abschlussprüfung. Anders als das US-amerikanische System mit einer rein staatlichen Überwachung durch die SEC und auch anders als das britische, rein privatrechtlich verfasste Financial Reporting Review Panel (FRRP) verbindet das deutsche System Elemente des Privatrechts mit solchen des Aufsichtsrechts.
Tz. 272
Die Prüfung ist in zwei Stufen gegliedert. Auf der ersten Stufe prüft die privatrechtlich verfasste DPR auf der Grundlage von § 342b Abs. 2 Satz 1 HGB, ob der zuletzt festgestellte Jahresabschluss und dazugehörige Lagebericht, ggf. auch der gebilligte Konzernabschluss mit dem dazugehörigen Konzernlagebericht den gesetzlichen Vorschriften einschließlich der GoB oder den sonstigen durch Gesetz zugelassenen Rechnungslegungsstandards (gemeint: IFRS) entspricht. Dabei prüft die DPR gem. § 342b Abs. 2 Satz 3 HGB,
- soweit konkrete Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen Rechnungslegungsvorschriften vorliegen (Anlassprüfung),
- auf Verlangen der BaFin oder
- ohne besonderen Anlass (Stichprobenprüfung).
Der Kreis der zu prüfenden Unternehmen wird durch § 342b Abs. 2 Satz 2 HGB bestimmt: Geprüft werden die Abschlüsse und Berichte von Unternehmen, deren Wertpapiere im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 WpHG an einer inländischen Börse zum Handel im regulierten Markt zugelassen sind. Da die DPR privatrechtlich organisiert ist, erfordert die Prüfung die freiwillige Kooperation des zu prüfenden Unternehmens. Anders als der Abschlussprüfer führt die DPR keine vollständige Prüfung durch. Es kommt also nicht zu einer Doppelprüfung, sondern die Prüfung konzentriert sich bei einer Anlassprüfung auf dasjenige Prüffeld, das Gegenstand der Beanstandung ist, bei einer Stichprobenprüfung auf die für ein Prüfungsjahr von der DPR ausgewählten Prüfungsschwerpunkte. Im Interesse einer präventiven Fehlervermeidung bietet die DPR den zu prüfenden Unternehmen seit November 2009 die Möglichkeit, fallbezogene Voranfragen einzureichen (pre-clearance). Allerdings stellt die Stellungnahme der DPR keine allgemein verbindliche Auslegung der betreffenden Bilanzierungsvorschriften dar. Darüber hinaus ist die DPR in einem späteren Enforcement-Verfahren nicht an Ihre Stellungnahme gebunden. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass dieses System trotz fehlender rechtlicher Verpflichtung die Gefahr einer nationalen Standardsetzung außerhalb des gewöhnlichen Standardsetzungsprozesses in sich birgt.
Tz. 273
Ist das zu prüfende Unternehmen nicht zur mit Mitwirkung an der Prüfung bereit oder ist es mit dem Ergebnis der Prüfung nicht einverstanden, dann schaltet sich auf der zweiten Stufe die BaFin mit hoheitlichen Befugnissen, insbesondere mit weitreichenden Auskunftsrechten und Sanktionsmöglichkeiten, ein. Die BaFin kann die erforderliche Berichtigung mit Zwangsmitteln durchsetzen und gegebenenfalls ergänzende Sanktionen festsetzen. Besteht der Verdacht einer Straftat im Zusammenhang mit der Rechnungslegung, schalten die DPR oder die BaFin die Staatsanwaltschaft ein. Bei Verdacht des Vorliegens einer Berufspflichtverletzung durch den Abschlussprüfer wird die Wirtschaftsprüferkammer eingeschaltet (§ 342b Abs. 8 HGB). Das Ergebnis der Prüfung wird dem geprüften Unternehmen mitgeteilt. Zugleich wird dem geprüften Unternehmen aufgegeben, das Ergebnis einschließlich Begründung im elektronischen Bundesanzeiger zu veröffentlichen. Der wesentliche Effekt der Prüfung besteht darin, dass Rechnungslegungsfehler offengelegt werden und die Abschlussersteller sowie ihre Prüfer mit einem Reputationsverlust rechnen müssen.