Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 226
Die ermittelten Differenzbeträge dürfen nicht als Gewinn ausgeschüttet werden. Alle nunmehr anzusprechenden Probleme sind die Konsequenz aus der systematisch unzutreffenden Einordnung.
Tz. 227
Die ganz h. M. geht unter Berufung auf die Gesetzesbegründung von einer außerbilanziellen Ausschüttungssperre aus. Damit soll die Ausschüttungssperre immer erst auf Ebene der Gewinnverwendung eingreifen. Gem. § 285 Nr. 28 HGB ist der ausschüttungsgesperrte Betrag jedoch im Anhang anzugeben. Auch wenn diese Lösung den Willen der Gesetzesverfasser für sich hat, ist sie jedoch nicht aus dem Gesetz abzuleiten, weil § 268 Abs. 8 HGB keine Vorgaben enthält, wie die Sperre umzusetzen ist. Bedenkt man, dass einerseits der Gläubigerschutz betroffen ist und dass bei unzutreffender Ausschüttung Haftungsgefahren zu Lasten der Gesellschafter (§ 31 GmbHG, § 62 AktG) drohen, ist die Annahme einer bloßen außerbilanziellen Ausschüttungssperre wenig sachgerecht. Vielmehr bietet sich eine gesonderten Rücklage (vgl. § 265 Abs. 5 HGB) an, die gem. § 270 Abs. 2 HGB bereits bei Aufstellung des Jahresabschlusses zu bilden ist. Dadurch erscheinen einerseits einige der folgenden Probleme in anderem Kontext und zudem ergeben sich sachgerechtere Lösungen. Für die folgende Kommentierung wird jedoch von einer außerbilanziellen Ausschüttungssperre ausgegangen, wie sie die h. M. vertritt.
Tz. 228
Gem. § 58 Abs. 4 AktG haben Aktionäre nur Anspruch auf den Bilanzgewinn. Dieser setzt sich aus dem Jahresgewinn zzgl. aufgelöster Rücklagen zusammen. Zum Jahresgewinn sind Gewinnvorträge hinzuzurechnen und Verlustvorträge abzuziehen. Es ist unklar, ob für die Einstellung der Hälfte des Jahresgewinns in Gewinnrücklagen gem. § 58 Abs. 2 Satz 1 AktG die Differenzbeträge von § 268 Abs. 8 HGB vorher abzuziehen sind oder lediglich den zur Ausschüttung stehenden Teil nicht berühren dürfen.Grundsätzlich ist § 268 Abs. 8 HGB in diesem Zeitpunkt unbeachtlich. Vielmehr ist bei Aktivierung ausschüttungsgesperrter Beträge der gesamte Jahresgewinn Grundlage für die Berechnung gem. § 58 Abs. 2 Satz 1 AktG; bei der Aufstellung des Jahresabschlusses ist die Ausschüttungssperre somit noch unbeachtlich. Darf auch nicht der gesamte gem. § 58 Abs. 2 AktG den Aktionären zustehende Betrag wegen § 268 Abs. 8 HGB ausgeschüttet werden, ist er gleichwohl in voller Höhe den Aktionären anzubieten. Hinsichtlich des ausschüttungsgesperrten Betrags ist jedoch die Ausschüttungsentscheidung ausgeschlossen. Die Aktionäre können aber immer noch wählen zwischen Einstellung in die Gewinnrücklagen oder Bildung eines Gewinnvortrags.
Tz. 229
Für das GmbH-Recht begrenzt die Vorschrift dem Wortlaut nach auch die Gewinnverwendung gem. § 29 GmbHG, obwohl diese Vorschrift dispositiv ist. Der Kerngedanke von § 268 Abs. 8 HGB kommt hier vornehmlich bei Berechnung des geschützten Vermögens im Sinne von § 30 GmbHG zur Anwendung. In der UG führt der Ansatz ausschüttungsgesperrter Beträge zwar zu einer Gewinnerhöhung, jedoch wird das Ausschüttungspotenzial gemindert. Der erhöhte Gewinn zwingt zur Bildung einer höheren Rücklage gem. § 5a Abs. 3 Satz 1 GmbHG; diese und die gesamten durch § 268 Abs. 8 HGB gesperrten Beträge sind jedoch zur Berechnung des ausschüttungsfähigen Vermögens nicht heranzuziehen.
BEISPIEL
Bei der Aufstellung des Jahresabschlusses einer UG ergeben sich diese Beträge: Die UG hat Sachanlagevermögen von 10.000 EUR; hinzu kommt Umlaufvermögen von 10.000 EUR. Passiviert sind ein Stammkapital von 10.000 EUR, eine Rücklage gem. § 5a Abs. 3 Satz 1 GmbHG in Höhe von 6.000 EUR und ein Jahresgewinn in Höhe von 4.000 EUR. Alternativ ist das Sachanlagevermögen wegen selbstgeschaffener Immaterialgüter mit 14.000 EUR anzusetzen. Der Jahresgewinn beträgt dann 8.000 EUR. In der ersten Variante sind gem. § 270 Abs. 2 HGB 1.000 EUR und in der zweiten Variante 2.000 EUR in die Rücklage gem. § 5a Abs. 3 Satz 1 GmbHG einzustellen. In der ersten Variante können gem. § 29 GmbHG 3.000 EUR ausgeschüttet werden, in der zweiten Variante stehen 6.000 EUR zwar zur Verfügung, jedoch sind 4.000 EUR gem. § 268 Abs. 8 HGB ausschüttungsgesperrt.
Tz. 230
§ 301 AktG nimmt für abführungsfähigen Gewinn im Vertragskonzern auf § 268 Abs. 8 HGB Bezug. Ein nach § 268 Abs. 8 HGB ausschüttungsgesperrter Betrag kann nicht abgeführt werden. Wohl eine Folge unbedachter Wortwahl ist das Wort "den" ["und den nach § 268 Abs. 8 des Handelsgesetzbuchs…"] in § 301 Satz 1 AktG. Gem. § 264 Abs. 3 HGB brauchen die Vorschriften des ersten Unterabschnitts unter ergänzenden Voraussetzungen gerade nicht angewendet zu werden. Dann gibt es auch nicht "den" nach § 268 Abs. 8 HGB ausschüttungsgesperrten Betrag. Das Wort "den" kann aber durch "einen" ersetzt werden, sodass auch eine hypothetische Anwendung von § 268 Abs. 8 HGB für § 301 Satz 1 AktG möglich ist, auch wenn § 264 Abs. 3 HGB angewendet wird.
Tz. 231
Wiederum Folge ungenauer Gesetzessystematik ist die Frage, ob der gesamte Jahresgewinn abgeführt we...