Dipl.-Kfm. Klaus Eckmann, Dr. Niklas Homfeldt
Tz. 142
Über die Rechtsnatur und damit verknüpft die Frage der Bindungswirkung bzw. Verbindlichkeit der Standards des DRSC herrscht Unklarheit. Während manche darin GoB der Konzernrechnungslegung sehen, betonen andere die mangelnde rechtliche Verbindlichkeit, sehen aber eine – wie auch immer geartete – "weitergehende Wirkung" bei Bekanntmachung des Standards durch das BMJ. Der Gesetzgeber trägt zu dieser Unsicherheit bei, denn er spricht in § 342 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 HGB zwar davon, dass das DRSC Empfehlungen zur Anwendung "der Grundsätze" über die Konzernrechnungslegung entwickeln soll. Zugleich heißt es aber in § 342 Abs. 2 HGB, dass die Beachtung der die Konzernrechnungslegung betreffenden Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung vermutet wird, soweit die vom Bundesamt für Justiz bekannt gemachten Empfehlungen des DRSC beachtet werden. Diese Vermutung wird allerdings verbreitet als widerleglich angesehen. Die Unsicherheit resultiert daraus, dass der Gesetzgeber das Verhältnis der Empfehlungen bzw. Standards des DRSC zu den Konzern-GoB unklar gelassen hat. Problematisch ist zunächst, dass das Gesetz von Empfehlungen spricht, im Bereich des DRSC aber immer von Standards die Rede ist. Nach allgemeinem Sprachverständnis ist ein Standard deutlich mehr als eine bloße (unverbindliche) Empfehlung. Schon diese terminologische Unschärfe trägt zur Unklarheit bei. Sodann legt die Formulierung in Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 nahe, dass "Grundsätze über die Konzernrechnungslegung" unabhängig vom DRSC existieren, und dass das DRSC lediglich Empfehlungen zur Anwendung dieser Grundsätze entwickelt. Andererseits soll nach Abs. 2 Satz 2 die Beachtung der DRSC-Empfehlungen die Vermutung begründen, dass die "die Konzernrechnungslegung betreffenden GoB beachtet worden sind". Hier ist zunächst festzustellen, dass der normative Gegenstand der Regelung in Abs. 1 Satz 1 "Grundsätze über die Konzernrechnungslegung") vom Gegenstand der Regelung in Abs. 2 Satz 2 ("die Konzernrechnungslegung betreffenden GoB") abweicht. Denn die Wendung "Grundsätze der Rechnungslegung" ist weiter als die Wendung "Grundsätze ordnungsmäßiger Rechnungslegung". Sollte in beiden Fällen dasselbe gemeint sein, wofür einiges spricht, hätte es nahe gelegen, dieselbe Bezeichnung zu verwenden. Sodann wird dem DRSC in Abs. 2 Satz 2 offensichtlich mehr Kompetenz zugewiesen als in Abs. 1 Satz 1. Denn Abs. 1 Satz 1 beschränkt die Aufgabe des DRSC darauf, bloße Empfehlungen zu Grundsätzen der Konzernrechnungslegung zu entwickeln. Empfehlungen sind ihrer Natur nach unverbindlich. Entscheidend ist hier nicht die Befolgung der Empfehlung zur Anwendung der Grundsätze, sondern allein, dass der Konzern die Grundsätze selbst anwendet. Ob er die Empfehlungen befolgt, spielt insoweit keine Rolle. Die Grundsätze der Konzernrechnungslegung sind nach diesem Verständnis präexistent. Hingegen erstarkt die Empfehlung nach Abs. 2 Satz 2 zu einem Synonym für den jeweiligen Grundsatz selbst: Wenn die Empfehlung beachtet wird, wird vermutet, dass der GoB selbst beachtet wurde. Die Empfehlung "inkorporiert" also den jeweiligen GoB bzw. die Empfehlung "konstituiert" sogar den GoB. Und insofern ist das Petitum, das DRSC dürfe nur bestehende GoB interpretieren und keine neuen GoB schaffen, mit dem Wortlaut von Abs. 2 Satz 2 nicht bzw. nur bedingt vereinbar. Denn hier erlangt der Grundsatz erst durch die Empfehlung seine Existenz. Kurzum: Das Gesetz räumt dem DRSC nach Abs. 1 Satz 1 und nach Abs. 2 Satz 2 unterschiedlich weit gehende Befugnisse ein. Hinzu kommt, dass der Standardisierungsvertrag in § 4 Abs. 3 vorsieht: "Beim Erarbeiten von Standards ist darauf zu achten, dass sie nicht im Widerspruch zu Rechtsvorschriften stehen. Eine sinnvolle Weiterentwicklung der Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung ist damit nicht ausgeschlossen." Hier wird dem DRSC also offensichtlich die Kompetenz eingeräumt, GoB weiterzuentwickeln. Dies ist mit dem Grundansatz des § 342 Abs. 1 HGB, der dem DRSC nur die Befugnis gewährt, Empfehlungen zur Anwendung von Grundsätzen zu entwickeln, schwerlich zu vereinbaren. Auch in dieser offensichtlichen Unstimmigkeit liegt ein Grund für die Unklarheit über die Bindungswirkung der Standards.
Tz. 143
In der Kommentarliteratur versucht man, diese Unklarheit durch Kategorisierung der Standards zu überwinden. Danach sollen sich die Standards in drei Gruppen einteilen lassen: Regelungen, die im Wesentlichen das Gesetz wiedergeben, Regelungen, die das Gesetz konkretisieren, indem sie eine Gesetzeslücke ausfüllen oder eine gesetzliche Vorschrift inhaltlich füllen (etwa Kapitalflussrechnung, Segmentberichterstattung und Risikoberichterstattung), sowie Regelungen, die gesetzliche Wahlrechte einschränken oder anderweitig über das Gesetz hinausgehen. Während ein Standard oder eine einzelne Regelung eines Standards in den ersten beiden Fällen anzuwenden sei, soll die Anwendung im dritten Fall unverbindlich sein. Indessen sind diese Folgerungen und ihr Nutzen zweifelhaf...