Dipl.-Oec. Andrea Bruckner, Dr. Niklas Homfeldt
Tz. 94
Für einen Ausschluss von der Abschlussprüfung ist bereits die Besorgnis des Vorliegens von Befangenheit ausreichend (§ 49 WPO). Die Unabhängigkeit muss aus der Perspektive eines sachverständigen Dritten unter Plausibilitätsaspekten als gegeben angesehen werden, d. h. es darf kein Zweifel an der Unbefangenheit des Abschlussprüfers bei Dritten aufgrund von objektiven Tatbeständen bestehen. Ob Befangenheit tatsächlich besteht, ist somit nicht entscheidend. Andererseits gilt es nicht als ausreichend für die Auslösung von Befangenheit, sofern lediglich ein Verdachtsmoment – d. h. ein Gefühl oder eine Ahnung – vorliegt.
Tz. 95
In § 319 Abs. 2 HGB führt der Gesetzgeber Beziehungen geschäftlicher, finanzieller oder persönlicher Art als Gründe für eine Besorgnis der Befangenheit an, wobei diese Aufzählung nicht abschließend ist. Als "Umstände" in diesem Sinne werden in § 319 Abs. 3 HGB konkrete absolute Ausschlussgründe aufgezählt und in § 21 Abs. 2 Satz 2 BS WP/vBP die nachfolgenden Tatbestände hervorgehoben und in den Folgeparagraphen (§§ 23, 23a, 23b und 24 BS WP/vBP) konkretisiert:
- Eigeninteresse
- Selbstprüfung
- Interessenvertretung
- persönliche Vertrautheit
Tz. 96
Nach § 21 Abs. 2 Satz 3 BS WP/vBP führt das Vorliegen solcher Umstände, die nicht absolute Ausschlussgründe i. S. v. § 319 Abs. 3 HGB darstellen, nicht zu einer Beeinträchtigung der Unbefangenheit, wenn die Umstände selbst für die Urteilsbildung offensichtlich unwesentlich sind oder zusammen mit Schutzmaßnahmen (§ 22 BS WP/vBP) insgesamt unbedeutend sind. Dies entspricht der Abwägung einer möglichen Befangenheit nach § 319 Abs. 2 HGB und somit der Beachtung aller einzelfallbezogenen Umstände. Hierbei sind das Interesse des gewählten Prüfers an der Durchführung der Abschlussprüfung auf der einen Seite sowie das Interesse eines unbefangenen Prüfers auf der anderen Seite in die Abwägung einzubeziehen.
BEISPIEL
Beispiel für Beziehungen geschäftlicher Art
Der Wirtschaftprüfer XY ist Mitglied des Kreistags und zugleich Abschlussprüfer der Kreisverkehrs AG. Im Kreisverkehrsausschuss werden die jährlichen Subventionen für die Kreisverkehrs AG verhandelt und eine entsprechende Beschlussvorlage ausgearbeitet.
Ist der Wirtschaftsprüfer XY als Mitglied des Kreisverkehrsausschusses tätig, so ist die Besorgnis der Befangenheit aufgrund bestehender geschäftlicher Beziehungen gegeben.
Die Besorgnis der Befangenheit ist demgegenüber zu verneinen, sofern der Wirtschaftsprüfer XY kein Mitglied des Kreisverkehrsausschusses ist und sich an den die Kreisverkehrs AG betreffenden Diskussionen und Abstimmungen im Kreistag nicht beteiligt.
Tz. 97
Durch das Abschlussprüfungsreformgesetz (AReG) wurde § 319 Abs. 2 HGB um eine Klarstellung bezüglich des Zeitraums, in dem keine Befangenheitsgründe vorliegen dürfen, ergänzt.
Damit korrespondiert der Zeitraum, in dem Unbefangenheit bestehen muss, mit den Regelungen des § 318 Abs. 3 Satz 3 und 7 HGB, nach denen es auch nach der Wahl des Abschlussprüfers noch zu einer Ersetzung wegen Befangenheit kommen kann.