Dipl.-Oec. Andrea Bruckner, Dr. Niklas Homfeldt
Tz. 158
Nach dem Wortlaut des § 320 Abs. 1 Satz 2 HGB haben die gesetzlichen Vertreter dem Abschlussprüfer die Prüfung von Büchern und Schriften sowie von Vermögensgegenständen und Schulden, namentlich die Kasse und die Bestände an Wertpapieren und Waren, zu gestatten. Die Aufzählung kann nicht mehr als zeitgemäß angesehen werden und muss im Sinne des Regelungszwecks ausgelegt werden. So erstreckt sich das Prüfungsrecht auf alle im Zusammenhang mit rechnungslegungs- und prüfungsrelevanten Fragestellungen stehenden Unterlagen. Ob sich diese bspw. auf die Prüfung der Bilanz, des Lageberichts oder auf spezifische Ansatz- oder Bewertungsfragen beziehen und, ob diese Informationen und Unterlagen in Papierform oder IT-gestützt vorhanden sind ist unbedeutend.
Tz. 159
Das Prüfungsrecht erstreckt sich insbesondere auf die in § 257 Abs. 1 Nr. 1–4 HGB aufgelisteten Unterlagen. Der Abschlussprüfer besitzt das Recht zur Prüfung von Buchführungsunterlagen (über Grund-, Haupt- und Nebenbücher bis hin zu einzelnen Buchungsbelegen), Originalbelegen (bspw. Eingangs- und Ausgangsrechnungen, Kontoauszüge oder Verträge) sowie der EDV-Buchführung. Mit Blick auf die Prüfungspflicht, die sich auch auf in die Zukunft gerichtete Aussagen erstreckt (u. a. Fortführungsprognose), bezieht sich das Prüfungsrecht auch auf zukunftsgerichtete Unterlagen (bspw. Planungs- und Investitionsrechnungen). Er hat somit das Recht auf alle Informationen des rechnungslegungsbezogenen Informationssystems und ggf. weiterer Unterlagen zuzugreifen, die er für die ordnungsgemäße Prüfungsdurchführung benötigt. Kommt es zu gesetzlichen Erweiterungen des Prüfungsumfangs, hat dies auch eine entsprechende Erweiterung des Unterlagenspektrums zur Konsequenz.
Tz. 160
Das Prüfungsrecht gewährt dem Abschlussprüfer die Durchführung aller Prüfungshandlungen, die er als erforderlich betrachtet. Hierzu zählen insbesondere Einsichtnahmen, Inaugenscheinnahmen (u. a. der Zutritt zu den Geschäftsräumen der zu prüfenden Gesellschaft), Beobachtungen (u. a. Vorratsinventur), Nachvollziehen und Berechnungen.
Die zu prüfende Gesellschaft kann die Gewährung der Einsichtnahme durch den Abschlussprüfer nicht unter Berufung darauf verweigern, dass die entsprechenden Unterlagen vertraulich seien. Dies gilt neben gesetzlicher auch für vertragliche Vertraulichkeit. Daneben scheidet auch die Berufung auf zu schützende Geschäftsgeheimnisse aus. Das Prüfungsrecht erstreckt sich auch auf Vorstands- und Aufsichtsratsprotokolle. Sachlich gerechtfertigt erscheint dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass diese Protokolle oftmals nicht nur Hinweise zur wirtschaftlichen Lage des Unternehmens, sondern auch zu evtl. Verstößen gegen den Gesellschaftsvertrag u. Ä. enthalten.