Dr. Falk Mylich, Dr. Thilo Schülke
Tz. 24
Lange war umstritten, ob der subjektive Fehlerbegriff auch für Rechtsfragen gilt. In den jeweiligen Konstellationen ging es darum, ob sich im Falle unklarer Rechtslage der Bilanzierende darauf berufen kann, für ihn sei die richtige – später vom Gericht erkannte – Rechtslage nicht erkennbar gewesen. In zahlreichen Judikaten ist der BFH diesen Weg für das Steuerrecht gegangen. Die handelsrechtliche Literatur ist dem im Ergebnis überwiegend gefolgt. Seit einem Grundsatzurteil des Großen Senates vom 31.01.2013 ist – jedenfalls für das Steuerrecht – geklärt, dass der subjektive Fehlerbegriff auf Rechtsfragen nicht anzuwenden ist. Er stützt diese Auffassung auf den steuerrechtlichen Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, der auf dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG fußt. Ob zunächst aber aus den GoB – und damit für das Handelsrecht – der subjektive Fehlerbegriff herzuleiten ist, der dann lediglich von dem genannten steuerrechtlichen Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung überlagert wird, oder ob schon eine Herleitung aus den GoB scheitern muss, lässt der BFH offen. Aus diesem Grunde folgt aus der Entscheidung für das Handelsrecht zunächst nichts.
Tz. 25
Auf diese rein steuerrechtliche Begründung in der genannten Entscheidung des Großen Senats rekurrieren ausdrücklich das IDW und einige Autoren und vertreten, dass für die Handelsbilanz der subjektive Fehlerbegriff auf Rechtsfragen weiterhin Anwendung finde. Andere kommen mit einer anderen Begründung zu demselben Ergebnis, indem sie der Auffassung sind, Rechtsansichten des BFH – auch in Form rechtskräftiger Urteile – seien für die Prägung der handelsrechtlichen Rechtslage ohnehin völlig ohne Bedeutung, weil für das Handelsrecht in letzter Instanz der Bundesgerichtshof und nicht der Bundesfinanzhof zuständig sei. Wieder andere halten die Anwendung des subjektiven Fehlerbegriffs unabhängig von der Entscheidung des Großen Senates für ausgeschlossen.