Dr. Falk Mylich, Dr. Mathias Link
Tz. 225
§ 274a Größenabhängige Erleichterungen
Kleine Kapitalgesellschaften sind von der Anwendung der folgenden Vorschriften befreit:
- § 268 Abs. 4 Satz 2 über die Pflicht zur Erläuterung bestimmter Forderungen im Anhang,
- § 268 Abs. 5 Satz 3 über die Erläuterung bestimmter Verbindlichkeiten im Anhang,
- § 268 Abs. 6 über den Rechnungsabgrenzungsposten nach § 250 Abs. 3,
- § 274 über die Abgrenzung latenter Steuern.
1. Einleitung
a) Überblick
Tz. 226
§ 274a HGB regelt Erleichterungen für kleine Kapitalgesellschaften und solche gem. § 264a HGB bei der Aufstellung des Jahresabschlusses. Die Vorschrift fügt sich in die vielfältigen Erleichterungen zugunsten von kleinen Kapitalgesellschaften. Jedoch geht mit ihr ein hinnehmbares Informationsdefizit einher. § 131 Abs. 1 Satz 3 AktG verweist nicht auf § 274a HGB, sodass die in der Hauptversammlung vorgelegte Bilanz nicht um die in § 274a HGB genannten Elemente erweitert werden muss. Die Inanspruchnahme von § 274a HGB ist dem Stetigkeitsgebot unterworfen.
b) Entstehungsgeschichte
Tz. 227
Die Vorschrift setzt die Mittelstandsrichtlinie 90/604/EWG um, welche Art. 44 der 4. EG-Richtlinie erweitert hatte. Durch das BilMoG ist § 274a Nr. 5 HGB a. F. = Nr. 4 n. F. eingeführt worden. Durch das BilRUG wurde § 274a Nr. 1 HGB a. F. gestrichen, weil das Anlagengitter nicht mehr in der Bilanz ausgewiesen werden darf (§ 284 Abs. 3 HGB n. F.).
c) Geltungsbereich
Tz. 228
Die Vorschrift gilt für alle Kapitalgesellschaften im Sinne von § 264 HGB (AG, GmbH, KGaA, SE mit Inlandssitz), für alle Personengesellschaften im Sinne von § 264a HGB sowie über den Verweis von § 336 Abs. 2 Satz 1 HGB für alle Genossenschaften.
d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven
Tz. 229
§ 274a HGB steht nicht im Brennpunkt der bilanzrechtlichen Diskussion. Durch das BilMoG ist die Befreiung von der Steuerabgrenzung zugunsten kleiner Kapitalgesellschaften eingeführt worden. Hier ist im Auge zu behalten, inwieweit sich Handels- und Steuerbilanz auseinanderentwickeln und ob kleine Kapitalgesellschaften auch ohne den entsprechenden Ausweis von Steuerlatenzen zu sachlich richtigen Bilanzierungsergebnissen gelangen. Das mag bezweifelt werden im Hinblick darauf, inwieweit statt einer passiven Steuerlatenz eine Rückstellung anzusetzen ist.
2. Erläuterung
Tz. 230
Gem. § 274a Nr. 1 HGB n. F. sind kleine Kapitalgesellschaften befreit von der Erläuterung von sonstigen Vermögensgegenständen größeren Umfangs, die erst nach dem Abschlussstichtag entstehen. Gem. § 274a Nr. 2 n. F. HGB sind kleine Kapitalgesellschaften befreit von der Erläuterung von Verbindlichkeiten größeren Umfangs, die erst nach dem Abschlussstichtag entstehen. Gem. § 274a Nr. 3 HGB n. F. muss ein Disagio weder gesondert ausgewiesen noch im Anhang angegeben werden. Gem. § 274a Nr. 4 HGB sind kleine Kapitalgesellschaften von der Ermittlung und daher auch vom Ausweis aktiver und passiver latenter Steuern befreit. Umstritten ist allerdings, ob passive latente Steuern Schuldcharakter haben und zu einer Rückstellung zwingen. Der Schuldcharakter passiver latenter Steuern ist abzulehnen.