Dr. Thilo Schülke, Steve Scheffel
Tz. 571
Die betriebliche Altersversorgung der Arbeitnehmer hat in den Abschlüssen vieler Unternehmen besondere Relevanz, da sie zumeist den betragsmäßig bedeutendsten Posten der Passivseite darstellt. Es ergeben sich wesentliche bilanzielle und bilanzpolitische Effekte
- aus der Wahl der Art des Versorgungsplans bzw. der Art der Leistungsverpflichtung (Leistungs- oder Beitragszusage) sowie
- aus der Berücksichtigung vorhandener Vermögenswerte zur Deckung von Versorgungsverpflichtungen (plan assets).
Vor diesem Hintergrund muss der Unterscheidung der Arten von Leistungsverpflichtungen ein besonderes Hauptaugenmerk gewidmet werden.
Tz. 572
Eine Leistungsverpflichtung kann sowohl vertraglich als auch aus betrieblicher Übung entstehen, damit erweist sich die Qualifikation als unabhängig von der Form der Vereinbarung. Bei betrieblicher Übung muss der Arbeitgeber faktisch an die Verpflichtungserfüllung gebunden sein (IAS 19.61). Sofern nach deutschem Recht eine betriebliche Altersversorgung nach dem BetrAVG gegeben ist, besteht eine solche Leistungsverpflichtung.
Die bilanzielle Behandlung einer Leistungsverpflichtung hängt von der Kategorisierung der Zusage als Leistungs- (defined benefit obligation) oder Beitragszusage (defined contribution plan) ab. Entscheidend für die bilanziellen Konsequenzen ist somit die korrekte Differenzierung zwischen diesen beiden Leistungsarten.
Tz. 573
Beitragszusagen stellen periodisch anfallende Aufwendungen an externe Versorgungsträger dar, wobei durch den periodischen Beitrag des Arbeitgebers dessen Leistungsverpflichtung gegenüber dem Arbeitnehmer erfüllt wird (IAS 19.8). Die Versorgungszusage wird mit den Beiträgen des Arbeitgebers und der darauf durch die Versorgungseinrichtung erwirtschafteten Rendite beglichen. Eine Beitragszusage schließt eine Nachleistungsverpflichtung, z. B. bei mangelhafter Performance des Versorgungsträgers, aus (IAS 19.46). Entgegen dem downside risk besteht aber die Möglichkeit der Berücksichtigung eines upside potential (IAS 19.BC29). Für eine Beitragszusage ist daher eine Rückerstattung an den Arbeitgeber bei günstiger Entwicklung des Plans beim Versorgungsträger nicht kategorisch ausgeschlossen.
Tz. 574
Die in Deutschland bestehende finale Haftung (Subsidiaritätshaftung, § 1 Abs. 1 Satz 4 BetrAVG) des Arbeitgebers für beitragsorientierte Zusagen (§ 1 Abs. 1 Satz 3 i.V. m. § 16 Abs. 2–4 BetrAVG) kann formal betrachtet zur Qualifikation als leistungsorientierte Zusage führen. Dies würde u. a. auch für Direktversicherungen oder die Durchführung über eine Pensionskasse gelten, auch wenn mit einer Arbeitgeberhaftung i. d. R. nicht zu rechnen ist. Wirtschaftlich gesehen stellt die finale Haftung in der Regel lediglich eine Eventualverbindlichkeit dar, vor allen Dingen bei solventen Versorgungsträgern, die Pensionsleistungen garantieren.
Für den Arbeitgeber besteht ausschließlich ein Haftungsrisiko bei Insolvenz des Versicherers. Bei möglicher und wahrscheinlicher Umwälzbarkeit versicherungsmathematischer Risiken durch Beitragserhöhung liegt jedoch keine Beitragszusage mehr vor. Aus wirtschaftlicher Sichtweise liegt eine Beitragszusage bei Direktzusagen mit kongruenter, an den Arbeitnehmer verpfändeter, Rückdeckungsversicherung vor. Dabei muss die Leistungszusage aber an die Versicherung gekoppelt sein, wobei auch etwaige Überschüsse dem Arbeitnehmer zustehen müssen. Steht der Überschuss hingegen dem Arbeitgeber zu, liegt eine Leistungszusage vor.
Tz. 575
Der Beitrag bei beitragsorientierten Leistungen ist für das laufende Geschäftsjahr anhand der sich aus der vertraglichen Vereinbarung ergebenden Planformel zu schätzen und als Aufwand der Periode zu erfassen (IAS 19.51(b)). Zu Periodisierungszwecken wird hierbei der zugesagte Beitrag der Arbeitsleistung der Geschäftsjahre zugeordnet. Bei einer auftretenden Divergenz von Leistungs- und Zahlungsperiode ist eine Abgrenzung zu bilden (IAS 19.51(a)).
Tz. 576
Für Versorgungsansprüche der Arbeitnehmer, bei denen der Arbeitgeber einem Risiko durch Garantie einer Leistung ausgesetzt bleibt (leistungsorientierte Zusage), ist nach IAS 19 eine Rückstellung zu bilden. Die Verpflichtung aus der Leistungszusage stellt dabei den zum Bilanzstichtag durch den Arbeitnehmer bereits erdienten Barwert der künftigen Pensionsrückstände (defined benefit obligation) dar. Diese ist aktuarisch zu ermitteln. Zur Ermittlung der Rückstellung der Höhe nach ist vorhandenes Planvermögen (plan assets) zu berücksichtigen. Sofern bereits vor dem Bilanzstichtag die Leistungszusage ermittelt wurde, muss diese wertmäßig bis zum Bilanzstichtag fortgeschrieben werden (IAS 19.59).
Tz. 577
Bei Gruppenkassen/gemeinschaftlichen Plänen (multi employer plans) leisten mehrere Arbeitgeber Planbeiträge, welche gemeinsam angelegt werden. Durch den gemeinsamen Plan wird das Risiko der Einzelpläne (u. a. Mortalität) der Arbeitnehmer diversifiziert. Bei einer Gruppenkasse in Form einer Leistungszusage können u. U. die vorliegenden Informationen nicht für eine...