Dr. Thilo Schülke, Steve Scheffel
Tz. 504
Charakteristisch für eine Drohverlustrückstellung ist ein drohender Verlust aus einer Transaktion mit einer externen Partei. Der Verlust entsteht dann, wenn der Wert der zu erbringenden Leistung (Erfüllungsbetrag) den Wert der zu empfangenden Gegenleistung übersteigt. Bei der Beurteilung des Bestehens eines drohenden Verlusts ist es unerheblich, ob
- die Gegenleistung aktivierungsfähig oder aufwandswirksam ist,
- dieser bewusst oder unbewusst eingegangen wurde.
Tz. 505
Es müssen konkrete Anzeichen für einen Verpflichtungsüberschuss vorliegen. Zur Feststellung eines solchen Verpflichtungsüberschusses sollte auf die konkreten Umstände des fraglichen Rechtsverhältnisses abgestellt werden. Im normalen Geschäftsgang und nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung muss die Entstehung des Verlusts "ernsthaft und objektiv" zu erwarten bzw. zum Beurteilungszeitpunkt am Bilanzstichtag bereits "effektiv vorhanden" sein.
BEISPIEL
Das Logistikunternehmen X mietet ein Containerschiff über eine Laufzeit von fünf Jahren. Aufgrund der globalen wirtschaftlichen Entwicklung sinken jedoch die Frachtraten für Container. Zudem hat die X-AG einen deutlichen Einbruch der Auftragseingänge zu verzeichnen, so dass der Entschluss gefasst wird, für das Schiff einen Untermieter zu suchen. Nach zähen Verhandlungen übernimmt die T Gruppe das Schiff über die Restlaufzeit von drei Jahren zu einem stark reduziertem Mietpreis (50 %).
Die nachlassende ökonomische Entwicklung und der Auftragsrückgang führen an sich nicht zu einem drohenden Verlust aus der Vertragsbeziehung, da Leistung und Gegenleistung nach wie vor als ausgeglichen anzusehen sind. Mit Abschluss des Untermietvertrags wird allerdings der zukünftige Verlust zum Bilanzstichtag aus der Vertragsbeziehung (Untermiete) "effektiv eingefahren", d. h. wirtschaftlich verursacht. Die tatsächliche Realisation des Verlusts ist lediglich Folge des Zeitablaufs. Aus dem Gedanken, die Schulden des bilanzierenden Unternehmens vollständig zu zeigen, folgt daher die Notwendigkeit der Bildung einer Rückstellung für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften in Höhe des vollen wirtschaftlich verursachten Verlusts.
Tz. 506
In Abgrenzung zum drohenden Verlust sind wirtschaftlich nachteilige Verträge i. S. v. § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB nicht als Verlust zu qualifizieren. Wirtschaftlich nachteilige Verträge enthalten zwar im Fremdvergleich ungünstige Konditionen, sind i. d. R. allerdings nicht wirtschaftlich belastend für das bilanzierende Unternehmen.
BEISPIEL
Aufgrund des Einstiegs eines Großinvestors in den Fussballverein Z feiert dieser wiederholte Erfolge und steigt letztlich in die zweite englische Fussballliga auf. Mit dem Aufstieg möchte der Fussballverein auch vor größerem Publikum spielen, weshalb Z das Stadion eines Konkurrenzvereins anmietet. Hierfür stehen verschiedene Möglichkeiten innerhalb von London zur Verfügung. Letztlich schließt Z einen Mietvertrag mit dem Fussballverein E zu einem in 01 marktgerechten Preis (i. H. v. 1.000 Geldeinheiten per annum) über 5 Jahre. In 02 sinken die Mietpreise am Markt, was nicht zuletzt durch ähnliche Transaktionen belegt wird. Der Vertrag ist zwar wirtschaftlich nachteilig, jedoch für Z nicht wirtschaftlich belastend, da weiterhin Gewinne gemacht werden. Die Bildung einer Rückstellung scheidet aus.
Tz. 507
Weiter ist die Drohverlustrückstellung von der allgemeinen Verbindlichkeitsrückstellung sowie auch von der außerplanmäßigen Abschreibung abzugrenzen. Drohverlust- und Verbindlichkeitsrückstellung teilen insbesondere den Außenverpflichtungscharakter, letztere definiert sich aber wie folgt:
- zukünftige Aufwendungen, die heutigen Erträgen zugehören (Erfüllungsrückstand), sowie
- zukünftige Aufwendungen, denen sich keine Erträge zuordnen lassen.
Durch ihre ausschließliche Bezugnahme auf schwebende Geschäfte knüpfen Drohverlustrückstellungen hingegen an zukünftige Aufwendungen an, die gleichzeitig aber auch zukünftige Erträge alimentieren. Hierbei wird lediglich der Verpflichtungsüberschuss als Saldogröße zurückgestellt. Bei Verbindlichkeitsrückstellungen liegt aber ein Leistungsverzug vor.
Tz. 508
Zur außerplanmäßigen Abschreibung besteht hauptsächlich ein Konkurrenzverhältnis bei Absatzgeschäften. Der Abschluss eines mit Verlust behafteten Kaufvertrages kann zum einen zum Ansatz einer Drohverlustrückstellung, zum anderen aber auch in der außerplanmäßigen Abschreibung der für das Absatzgeschäft erworbenen oder hergestellten Vermögensgegenstände resultieren. Zu unterscheiden wäre der Vermögensgegenstand hinsichtlich der außerplanmäßigen Wertberichtigung aufgrund seiner Zuordnung zum Umlauf- (§ 253 Abs. 4 HGB) oder Anlagevermögen (§ 253 Abs. 3 S. 3 HGB). Letztere treten eher bei Dauerschuldverhältnissen auf, z. B. im Falle eines nachteiligen Mietvertrags (vgl. Tz. 520).
Da Rückstellungen keinen Wertberichtigungscharakter aufweisen, sind diese gegenüber außerplanmäßigen Abschreibungen als nachrangig zu behandeln (Art. 20 Abs. 3 de...