Dr. Thilo Schülke, Steve Scheffel
Tz. 378
Für die Zuordnung der Vermögensgegenstände zum Anlage- oder Umlaufvermögen ist nach Art. 12 Abs. 3 Jahresabschlussrichtlinie 2013 die betriebsindividuelle Zweckbestimmung maßgebend. Zum Anlagevermögen gehören die Vermögensgegenstände, die planmäßig der wiederholten oder dauernden Nutzung gewidmet sind. Zum Umlaufvermögen zählen die Vermögensgegenstände, die dazu bestimmt sind, in einem einmaligen Akt veräußert oder verbraucht zu werden.
Maßgeblich ist die Zweckbestimmung die sich aus dem Wesen des Vermögensgegenstandes, seinen Verwendungsmöglichkeiten im Geschäftsbetrieb und der Widmung des Kaufmanns ergibt. Soweit es mit der Widmung auf ein subjektives Sachverhaltsmerkmal ankommt, ist die Verwendungsabsicht durch objektive Hilfstatsachen festzustellen. Die vom Kaufmann vorgenommene Bilanzierung kann ein Indiz für die Widmung sein, bildet aber kein eigenständiges Abgrenzungskriterium.
Der Widmungsakt vermittelt kein Zuordnungswahlrecht, das bei selbst erstellten immateriellen Vermögensgegenständen bezogen auf § 248 Abs. 2 HGB zu einem Aktivierungswahlrecht führen würde. Unzulässig ist auch der Ansatz von Zwitterposten zwischen dem Anlage- und dem Umlaufvermögen.
Tz. 379
Das Merkmal "dauernd" in § 247 Abs. 2 HGB bezieht sich nicht auf die geschäftsbetriebsunabhängige Lebensdauer des einzelnen Vermögensgegenstandes. Es ist nicht zeitlich, sondern funktional zu verstehen. Der Vermögensgegenstand muss zu der Gruppe der Gegenstände gehören, die dauernd dem Betrieb dienen. Ein Vermögensgegenstand gehört daher auch dann zum Anlagevermögen, wenn er zu dieser Gruppe planmäßig nur für einen begrenzten Zeitraum gehört. Die Zuordnung zum Anlagevermögen setzt keine Mindestverweildauer voraus.
BEISPIEL 1
Anlagevermögen
- Mietwagen von Mietwagenunternehmen
- Musterhäuser eine Fertighausherstellers
- Vorführwagen von Kfz-Händlern
- Vorführküchen im Küchenstudio
Umlaufvermögen
- Ersatzteile und Reserveteile für Vermögensgegenstände des Anlagevermögens
- Zur Veräußerung geschaffene Bilder eines Kunstmalers
- Testgeräte eines Einzelhändlers, die Kunden bis zu einem halben Jahr gegen eine auf den Kaufpreis anrechenbare Mietzahlung überlassen werden
- Schriftmetalle einer Druckerei
Zum Anlagevermögen gehören entgegen einer verbreiteten Bilanzierungspraxis auch Gegenstände von geringem Wert, wenn sie dem Geschäftsbetrieb dauerhaft dienen. Der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Rechnungslegung und der Wesentlichkeit hat keinen Einfluss auf die Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen.
BEISPIEL 2
Gegenstände von geringem Wert, die zum Anlagevermögen zählen
- Handwerkzeuge (Hämmer, Schraubenzieher, Gabelschlüssel)
- Bürohefter, Locher
- Haarschneidewerkzeuge, Haarföhn
Tz. 380
Die Zuordnung eines Vermögensgegenstandes zum Anlage- oder Umlaufvermögen ist zu jedem Bilanzstichtag erneut zu prüfen. Sie ist nicht durch die Zuordnungsentscheidung bei Zugang für alle folgenden Geschäftsjahre vorgegeben. Die Änderung des Geschäftszwecks oder des Verwendungszweckes kann eine Umwidmung von Vermögensgegenständen von Anlage- in Umlaufvermögen und umgekehrt bewirken.
BEISPIEL
- Änderung des Unternehmensgegenstandes einer Gesellschaft von "Ankauf und Verkauf von Grundbesitz und Beteiligungen" in "Baubauung und Vermietung"
- Verwendung der zum Verkauf produzierten Fahrzeuge als Leasingfahrzeuge durch den Hersteller als Leasinggeber
Ein Gegenstand, der nicht mehr verwendet wird, behält seine Zuordnung bis eine neue Zuordnungsentscheidung getroffen ist.
Die Zuordnung zum Anlage- oder Umlaufvermögen setzt voraus, dass der Gegenstand dem Geschäftsvermögen des Kaufmanns zuzuordnen ist. Das ist per se der Fall bei Vermögensgegenständen, die dem (Gesamthands-)Vermögen einer Handelsgesellschaft zuzuordnen sind. Die Abgrenzung zwischen Privatvermögen und Geschäftsvermögen wird daher heute nur beim Einzelkaufmann relevant, weil sich die Auffassung durchgesetzt hat, dass dieser nur sein Geschäftsvermögen bilanzieren muss. In Anlehnung an die steuerrechtliche Abgrenzung zwischen Privat- und Betriebsvermögen richtet sich beim Einzelkaufmann auch die Abgrenzung zwischen dem Privatvermögen und seinem Geschäftsvermögen nach der betriebsindividuell bestimmten objektiven Verwendungsmöglichkeit und der Verwendungsbestimmung des Kaufmanns, die durch objektive Kriterien festzustellen ist. Ein Laptop, DVD-Player oder Smartphone kann sowohl privaten als auch betrieblichen Zwecken dienen. Entscheidend für die Zuordnung ist die tatsächliche Verwendung. Bei gemischt privat und geschäftlich genutzten Vermögensgegenständen kann der Kaufmann durch Widmung eine Zuordnungsentscheidung treffen.
Tz. 381
BEISPIEL
Einzelfälle
- Emmissionsberechtigungen: Emissionszertifikate, die von der Deutschen Emissionshandelsstelle zugeteilt werden, sind dem Umlaufvermögen zuzuordnen, weil sie dem Verbrauch gewidmet sind. Sie können eingelöst oder veräußert, aber nicht dauernd genutzt werden...