Dr. Thilo Schülke, Steve Scheffel
Tz. 76
§ 246 HGB erwähnt nicht das Eigenkapital. Dies ist insofern folgerichtig, als sich das Eigenkapital als Differenzposten zwischen Aktiv- und Passivseite der Bilanz ergibt. Es ist damit reine Residualgröße. § 272 HGB regelt, wie dieser Differenzbetrag auszuweisen ist und verlangt dabei weitere Untergliederungen. Gleichwohl ist eine Definition des Eigenkapitals erforderlich, insbes. um eine Abgrenzung von den Schulden (Verbindlichkeiten und Rückstellungen, vgl. Tz. 59) zu ermöglichen. Denn ob von Dritter Seite erhaltene Mittel Eigen- oder Fremdkapital sind entscheidet auch darüber, ob eine Verbindlichkeit vorliegt, die unter § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB fällt, oder ob diese Forderung gegen die Gesellschaft stattdessen als Eigenkapital auszuweisen ist. Das Gesetz gibt diese Definition indes nicht. Auch existieren zahlreiche Mischformen (Mezzanine-Kapital). Jedenfalls für den Ausweis des Eigenkapitals ist aber auch im Falle mezzaninen Kapitals eine genaue Zuordnung erforderlich; vgl. hierzu im Einzelnen die Kommentierung zu § 272 HGB.
Tz. 77
Das Gesetz gibt zwar keine Definition des Eigenkapitals, regelt aber immerhin, dass bestimmte Werte als Eigenkapital auszuweisen sind. Das betrifft namentlich das von Gesellschaftern zur Verfügung gestellte Kapital (§ 266 Abs. 3 A. I und II HGB) und Gewinnrücklagen (§ 266 Abs. 3 A. III HGB). Daraus werden verschiedene Merkmale des Eigenkapitals abgeleitet. Grob umschrieben ist Eigenkapital danach das der Gesellschaft zur Verfügung gestellte, dort arbeitende und treuhänderisch gebundene Vermögen. Es unterliegt nicht dem einseitigen Rückforderungsrecht des einzelnen Kapitalgebers und nimmt am Verlust der Gesellschaft teil.
Tz. 78
Die Zuordnung zum Eigenkapital oder zum Fremdkapital richtet sich danach, ob entweder das Gesetz oder der Kapitalgeber eine Zuordnung vorgenommen hat. Damit ist zunächst klar, dass die gesetzlich vorgesehene Mindestkapitaleinlage, aber auch die gesetzlich vorgesehene, darüber hinausgehende feste Kapitaleinlage eines Gesellschafters zum Eigenkapital gehören. In wie weit andere Leistungen eines Gesellschafters an die Gesellschaft ins Eigenkapital der Gesellschaft geleistet sind oder ob sie ohne Wirkung auf das Eigenkapital überlassen – etwa geliehen oder geschenkt – sind, richtet sich nach der Zweckbestimmung, die der leistende Gesellschafter vorgenommen hat. Sie ist im Zweifel durch Auslegung zu ermitteln. Dabei spielt eine Rolle, ob der Gesellschafter gerade die Vermögensausstattung der Gesellschaft durch seine Leistung verbessern wollte (dann erfolgsneutrale, aber kapitalwirksame Leistung ins Eigenkapital) oder nicht (dann nur Erfassung auf der Aktivseite und in GuV; zu welchem Wert ist umstritten, vgl. Kapitel 6 Tz. 90).
Tz. 79
Im Falle von Personenhandelsgesellschaften, die kein festes Kapital haben, passt die Vorschrift des § 272 HGB nicht. Das Gesetz spricht in § 264c Abs. 2 HGB auch insofern von Kapitalanteilen. An die Stelle dieses Postens treten die Kapitalkonten der Gesellschafter. Vorgeschrieben ist gem. § 120 HGB nur ein Kapitalkonto für jeden Gesellschafter. Üblicherweise werden jedoch mindestens zwei Kapitalkonten eingerichtet:
- Kapitalkonto I mit der Pflichteinlage des Gesellschafters
- Kapitalkonto II, auf welchem laufende Gewinne und Verluste geführt werden
Weitere Konten können vereinbart werden, etwa um von den Gewinnen nur jeweils einen Teil für den Gesellschafter frei Abrufbar zu halten (Entnahmekonto), der andere Teil wird auf ein gesondertes Konto gebucht (Rücklagenkonto) und nur bei Vorliegen eines entsprechenden Gesellschafterbeschlusses ausgezahlt.