Dr. Thilo Schülke, Steve Scheffel
Tz. 220
Der Ansatz finanzieller Vermögenswerte und Schulden erfolgt bei Abschluss eines Vertrages (einer vertraglichen Vereinbarung), d. h. im Zeitpunkt, in dem das Unternehmen Vertragspartei geworden ist. Faktisch erfolgt ein Ansatz von Finanzinstrumenten jedoch häufig erst dann, wenn eine der Parteien die vertraglich vereinbarten Leistungen erbracht hat. Eine verpflichtende Bilanzierung bei Vertragsabschluss ergibt sich für die Bilanzierung von Derivaten. Für den Ansatz originärer finanzieller Vermögenswerte besteht ein stetig ausübbares Wahlrecht zum Ansatz entweder zum Handels- (Zeitpunkt des Vertragsabschlusses) oder Erfüllungstag (Zeitpunkt der Leistungserbringung).
Tz. 221
Der Ansatz finanzieller Vermögenswerte oder Schulden (definiert nach IAS 32) erfolgt im Regelfall zum Handelstag.
Wenngleich dieser Grundsatz allgemeingültig ist, liefert IAS 39.AG35 eine Liste von Beispielen, die diesen wiederum einschränken. So fordert u. a. IAS 39.AG35(b), dass als Folge einer festen Verpflichtung zum An- oder Verkauf von Waren/Dienstleistungen zu erwerbende Vermögenswerte oder einzugehende Schulden erst dann angesetzt werden, wenn mindestens eine Vertragspartei vertraglich zugesagte Leistungen erbracht hat.
Der Ansatz eines Finanzinstruments aus einer festen Bestellung erfolgt erst dann, wenn die bestellten Waren verschifft oder geliefert sind (IAS 39.AG25(b)), ein Ansatz im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrags erfolgt nicht. Wurde vertraglich jedoch ein Barausgleich (net settlement) vereinbart und dieser auch voraussichtlich genutzt, so ist hierfür ein Finanzderivat anzusetzen.
Tz. 222
Der o. g. Grundsatz beschränkt sich somit i. d. R. auf Finanzderivate. Obwohl es sich hierbei um ein schwebendes Geschäft handelt, kommt es bereits bei Abschluss des Vertrages zu einem finanziellen Vermögenswert/einer finanziellen Schuld. Zugangswert ist nach IAS 39.43 der fair value, wobei zu differenzieren ist zwischen:
- Termingeschäften: fair value bei Vertragsabschluss regelmäßig null, da sich Rechte und Pflichten entsprechen
- Optionen: fair value entspricht der gezahlten Optionsprämie
Tz. 223
Fallen bei Finanzinstrumenten der Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und der Erfüllungstag des Geschäftes auseinander, liegt für den Zeitraum ein schwebendes Geschäft vor, das u. U. als Finanzderivat zu erfassen ist.
Tz. 224
IAS 39.38 sieht jedoch keine verpflichtende Erfassung eines Derivats vor, wenn ein sog. marktüblicher Vertrag vorliegt (regular way contract) und sich die Zeitspanne aus den bestehenden Marktvorschriften ergibt. Für eine Auslegung des Begriffes der Zeitspanne wird auf die Anwendungsleitlinien des Standards verwiesen, der u. a. in IAS 39.IG.B.28 von einem acceptable time frame spricht. Ein solcher liegt vor, wenn bspw. technisch notwendige Schritte oder rechtliche Voraussetzungen zu erfüllen sind.
BEISPIEL
Unternehmen U schließt am 21.12.20X1 nachfolgende Kaufverträge ab:
- Erwerb von Unternehmen X (Eigentumsübergang bei Genehmigung der Kartellbehörden)
- Erwerb von Anteilen der Y AG (Eigentumsübergang nur bei Zustimmung des Vorstands der Y AG)
U zahlt den Kaufpreis bei Vertragsabschluss. Sowohl die Kartellbehörde als auch der Vorstand haben zum Bilanzstichtag 31.12.20X1 noch nicht zugestimmt.
Ergebnis
Im ersten Fall handelt es sich um einen Unternehmenserwerb innerhalb des Anwendungsbereichs von IFRS 3 Business Combinations. Eine Anwendung von IAS 39 ergibt sich nicht.
Der zweite Fall liegt im Anwendungsbereich von IAS 39, wenn der Anteilsverkauf nicht mehrheitsvermittelnd für Unternehmen U ist. Wenngleich auf Basis der Preisschwankungen der Anteile und des bereits entrichteten Kaufpreises zum Stichtag ein Derivat vorliegen könnte, sind die zehn Tage bis zum Bilanzstichtag als acceptable time frame einzuordnen. Die Bilanzierung eines Derivats kann daher mit Verweis auf IAS 39.38 unterbleiben.
Tz. 225
(einstweilen frei)
Tz. 226
Die Regelungen für die Ausbuchung von Finanzinstrumenten sind innerhalb von IAS 39 separat für finanzielle Vermögenswerte (IAS 39.15) und finanzielle Verbindlichkeiten (IAS 39.39) vorgegeben. Es gilt zwar der gleiche Grundsatz für die Beurteilung, ob ein Finanzinstrument bilanziell fortzuführen oder auszubuchen ist, die Voraussetzungen sind allerdings unterschiedlich für Vermögenswerte und Schulden.
Tz. 227
Die Ausbuchung von Finanzinstrumenten erfolgt nach IAS 39 entweder durch
- Übertragung (qualified transfer) oder
- Erledigung (expire).
Eine Übertragung liegt vor, wenn das Recht zum Erhalt finanzieller Vermögenswerte auf eine andere Person übertragen wurde und die damit verbundenen Risiken ganz oder teilweise auf den Erwerber übergegangen sind (IAS 39.18, 20).
Erledigung bedeutet nach IAS 39.17(a) bzw. IAS 39.39, dass Ansprüche auf den Erhalt oder die Verpflichtung zur Lieferung eines Finanzinstruments nicht mehr bestehen (expired). Dies ist bspw. dann der Fall, wenn der Kunde die Rechnung bezahlt, der Schuldner einen Erlass vom Gläubiger erhält oder die Ansprüche als verjährt eingestuft werden können. In der ...