Dr. Thilo Schülke, Steve Scheffel
Tz. 400
§ 248 Bilanzierungsverbote und -wahlrechte
(1) In die Bilanz dürfen nicht als Aktivposten aufgenommen werden:
- Aufwendungen für die Gründung eines Unternehmens,
- Aufwendungen für die Beschaffung des Eigenkapitals und
- Aufwendungen für den Abschluss von Versicherungsverträgen.
(2) Selbst geschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens können als Aktivposten in die Bilanz aufgenommen werden. Nicht aufgenommen werden dürfen selbst geschaffene Marken, Drucktitel, Verlagsrechte, Kundenlisten oder vergleichbare immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens.
1. Einleitung
a) Überblick
Tz. 401
Die Norm benennt Ausnahmen vom Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB. Ihr Abs. 1 betrifft Ansatzverbote, wobei Nr. 1 und Nr. 2 nur klarstellende Funktion haben, weil die hier genannten Zahlungen schon nicht der (An-)Schaffung eines VGs dienen, Nr. 3 hingegen eine echte Ausnahme begründet (vgl. Tz. 411).
Tz. 402
Abs. 2 enthält ein Wahlrecht zur Aktivierung originärer immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und spezielle Ausnahmen hiervon in Form von Ansatzverboten. Die Neufassung der Regelung durch das BilMoG 2009 hat dabei einen Perspektivenwechsel für den Bilanzersteller mit sich gebracht: Statt Kriterien zu formulieren, wann ein Ansatz, insbes. aus Gründen des Vorsichtsprinzips, verboten ist, stellt das Gesetz nunmehr in Abs. 2 Satz 1 Tatbestandsmerkmale auf, bei deren Vorliegen ein Ansatz unterbleiben darf, obwohl ein Vermögensgegenstand i. S. d. § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB vorliegt. Der Ansatz originärer immaterieller Vermögensgegenstände birgt die Gefahr des Ausweises unrealisierter Gewinne, was mit dem tradierten System des HGB, das von Vorsichts- und Realisationsprinzip (§ 252 HGB, vgl. Kapitel 6 Tz. 33 ff.) geprägt ist, im Konflikt steht. Deshalb ist die Norm im Zusammenhang mit §§ 268 Abs. 8, 176 Abs. 4 Satz 3 HGB sowie § 301 Satz 1 AktG zu lesen, die die aus der Aktivierung dieser Vermögensgegenstände resultierenden Erträge mit einer Ausschüttungs- bzw. Abführungssperre belegen.
b) Entstehungsgeschichte
Tz. 403
Abs. 1 war der Sache nach schon vor dem BiRiLiG in § 153 Abs. 4 Satz 1 AktG a. F. vorhanden, der die Behandlung von Gründungs- und Kapitalbeschaffungsaufwand (auch Kosten für die Beschaffung von Fremdkapital waren erfasst) für die AG regelte. Er geht in der aktuellen Gesetzesfassung auf Art. 9 Aktiva B der EG-Bilanz-RL zurück, der den Mitgliedstaaten die Möglichkeit einräumt, den Ansatz zu gestatten. Bis zum BilMoG 2009 differenzierte das Gesetz zwischen Gründungs- und Ingangsetzungsaufwand, wobei Ersterer nicht aktiviert werden durfte, Zweiterer gem. § 269 HGB a. F. hingegen schon (Bilanzierungshilfe). Die Vorschrift wurde als sachlich ungerechtfertigt betrachtet und deshalb abgeschafft. Die Aktivierbarkeit von Eigenkapitalbeschaffungsaufwand war von Art. 9 EG-Bilanz-RL ebenfalls ins Belieben der Mitgliedstaaten gestellt, war aber vom deutschen Gesetzgeber schon im AktG von 1965 ausdrücklich nicht gestattet. Das Verbot, Aufwendungen für den Abschluss von Versicherungsverträgen zu aktivieren, befand sich bis zum VersRiLiG 1994 in § 56 Abs. 2 VAG a. F.; nach § 18 EG-Versicherungsbilanz-RL besteht ein Wahlrecht der Mitgliedstaaten, auch die Bildung eines aktiven RAP zuzulassen.
Tz. 404
Abs. 2 erlaubt erst seit dem BilMoG 2009 in Übereinstimmung mit dem Wahlrecht des Art. 9 Aktiva C I EG-Bilanz-RL grundsätzlich den Ansatz selbstgeschaffener immaterieller Vermögensgegenstände des Anlagevermögens und formuliert lediglich bestimmte Rückausnahmen. Während des Gesetzgebungsverfahrens war zunächst eine Ansatzpflicht vorgesehen, aber auf Drängen der Praxis aufgegeben worden. Vor dem BiRiLiG 1985 sah § 153 Abs. 3 AktG a. F. für alle immateriellen Vermögensgegenstände des Anlagevermögens ein Aktivierungswahlrecht vor; seither waren entgeltlich erworbene immaterielle Vermögensgegenstände aber nach dem Vollständigkeitsgebot des § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB ansatzpflichtig, unentgeltlich erworbene waren hingegen nicht aktivierbar.
c) Geltungsbereich (sachlich, zeitlich)
Tz. 405
Die Vorschrift betrifft alle bilanzierungspflichtigen Kaufleute. Sie ist in der geltenden Fassung gem. Art. 66 Abs. 3 EGHGB zwingend anzuwenden auf alle Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2009 beginnen. Die Aktivierung von immateriellen Vermögensgegenständen des Anlagevermögens, mit deren Entwicklung vor dem 31.12.2009 bereits begonnen wurde, ist ausgeschlossen.
d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven
Tz. 406
Abs. 1: Rechtspolitisch wird kritisiert, das Verbot des Ansatzes von Gründungs- und Eigenkapitalbeschaffungsaufwand stelle insbes. Unternehmen im Zuge eines going public vor erheblich...