Dr. Thilo Schülke, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 14
Kommen die Geschäftsleiter zu der Erkenntnis, dass eine Unternehmensfortführung nicht mehr unterstellt werden kann, hat dies Konsequenzen für Ansatz und Bewertung der Vermögensgegenstände und Schulden. Allerdings bedeutet eine negative Fortführungsprognose nicht, dass die Bewertungsvorschriften des HGB nicht mehr gelten. Vielmehr bleibt es grds. bei den allgemeinen Regelungen, nur sind diese unter dem Gesichtspunkt anzuwenden, dass mit einem dauerhaften Nutzen der Vermögenswerte für das Unternehmen nicht mehr gerechnet werden kann. Auf der Passivseite kann sich daraus eine vorzeitige Fälligkeit von Verpflichtungen ergeben. Es bleibt deshalb zunächst bei einer Bewertung zu fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten. Auch gelten weiterhin das Vorsichts- und Imparitätsprinzip. Allerdings ist in den Blick zu nehmen, welche Verwertungsmöglichkeiten sich dem Unternehmen für das vorhandene Vermögen unter den gegebenen Umständen bieten. Dabei sind insbesondere die Umstände des Absatzmarktes maßgeblich, da eine Wiederbeschaffung der Vermögensgegenstände aufgrund fehlender Fortführungsmöglichkeiten nicht stattfinden wird. Aus denselben Gründen kann das Anlagevermögen bewertungsrechtlich nicht mehr als solches zu qualifizieren sein, sondern die bevorstehende Veräußerung dieser Vermögensgegenstände eine Bewertung nach den Vorschriften erforderlich machen, die für das Umlaufvermögen gelten (näher dazu sogleich, vgl. Tz. 17 f.). Für den Zeitraum nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ergibt sich dies klarstellend aus den Vorschriften der §§ 71 Abs. 2 GmbHG, 270 Abs. 2 AktG.
Tz. 15
Auswirkungen auf den Ansatz
Es gilt weiterhin das Vollständigkeitsgebot gem. § 246 Abs. 1 Satz 1 HGB. Es sind also auch bei negativer Fortführungsprognose alle Vermögensgegenstände, Schulden und Rechnungsabgrenzungsposten in der Bilanz anzusetzen. Soweit die These geäußert wird, Vermögensgegenstände, die nicht veräußert werden können, seien nicht mehr anzusetzen, ist dem zu widersprechen. Die Auswirkungen fehlender Veräußerbarkeit im konkreten Fall sind im Rahmen der Bewertung zu berücksichtigen, führen aber nicht dazu, dass das bilanzierte Gut seine Eigenschaft als Vermögensgegenstand einbüßt. Auswirkungen ergeben sich aber auf der Passivseite. So können zusätzliche Rückstellungen erforderlich werden, etwa infolge der Verwirkung von Vertragsstrafen oder im Hinblick auf mögliche Abbruch- und Beseitigungskosten, die entstehen, wenn das Unternehmen nicht mehr fortgeführt wird. Dabei ist im Einzelnen zu prüfen, ob die Voraussetzungen für den Ansatz von Rückstellungen gem. § 249 HGB erfüllt sind. Rechnungsabgrenzungsposten sind aufzulösen, soweit mit künftigem Aufwand oder künftigem Ertrag nicht mehr gerechnet werden kann. Entgegen überwiegend vertretener Auffassung sind selbstgeschaffene immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens nicht auszubuchen; infolge der fehlenden dauerhaften Nutzbarkeit sind sie – wie alle anderen Vermögensgegenstände auch – regelmäßig dem Umlaufvermögen zuzuordnen. Selbstgeschaffene Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens sind jedoch zu aktivieren. Soweit nicht mit einem Veräußerungserlös zu rechnen ist, ist gem. § 253 Abs. 4 HGB abzuschreiben.
Unzutreffend erscheint es allerdings, Rechtsfolgen zu antizipieren, die von der Ausübung von Gestaltungsrechten abhängen, welche noch nicht ausgeübt wurden. Das betrifft insbesondere zu erwartende außerordentliche Kündigungen von Vertragsverhältnissen. Insoweit ist weiterhin das Stichtagsprinzip zu beachten. Unzulässig ist es daher, Vermögensgegenstände schon deshalb auszubuchen, weil damit zu rechnen ist, dass der Vertrag nicht erfüllt werden wird und der Vermögensgegenstand infolgedessen zurückzugeben sein wird. Das gilt insbesondere für die Bilanzierung von Leasinggütern.
Tz. 16
Auswirkungen auf die Bewertung
Im Rahmen der Bewertung ist zu beachten, dass die Vermögensgegenstände dem Unternehmen nicht mehr dauerhaft zu dienen bestimmt sind (§ 247 Abs. 2 HGB). Sie sind daher nach den Vorschriften für das Umlaufvermögen zu bewerten. Es gilt insofern das strenge Niederstwertprinzip (vgl.Tz. 135) gem. § 253 Abs. 4 HGB. Regelmäßig werden daher außerplanmäßige Abschreibungen erforderlich werden. Gleichzeitig dürfen erwartete Veräußerungserlöse nicht vor ihrer Realisation berücksichtigt werden. Bei der Schuldenbewertung kann sich angesichts der bevorstehenden Betriebseinstellung der Erfüllungsbetrag ändern, wenn mit einer früheren Rückzahlung als bisher angenommen zu rechnen ist.
Tz. 17
Auswirkungen auf den Ausweis
Auch der Ausweis von Vermögensgegenständen und Schulden kann sich infolge einer negativen Fortführungsprognose ändern. Zunächst ist die bereits vorstehend angeprochene geänderte Bewertung des Anlagevermögens nach den Vorschriften für das Umlaufvermögen zu beachten, wenn die Vermögensgegenstände dem Unternehmen nicht mehr dauerhaft zu dienen bestimmt sind. Trotz dieser veränderten Bewertung ist es nach Auffassung einiger Autoren z...