Dr. Thilo Schülke, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 454
Zur Durchführung des Wertminderungstests ist zum Bilanzstichtag bzw. Testzeitpunkt der erzielbare Betrag des Betrachtungsobjekts zu ermitteln. Dies erfolgt entweder auf Basis des Nutzungs- oder des Nettoveräußerungswerts. Der höhere Betrag stellt das mit dem Buchwert zu vergleichende Wertpotenzial des Betrachtungsobjekts dar. Nur wenn das Wertpotenzial dem Buchwert mindestens entspricht, wird der Buchwert (vollständig) bestätigt. Theoretisch wird meist einem beobachtbaren Nettoveräußerungswert der Vorrang eingeräumt werden. Erst wenn dieser nicht existiert, wird der Nutzungswert (praktisch vielfach der Fall) berechnet werden (IAS 36.20). Aufgrund der Anwendbarkeit von IFRS 13 seit Anfang 2013 wird IAS 36.20 jedoch zunehmend an praktischer Relevanz verlieren, da gem. IFRS 13 ein fair value stets ermittelbar ist (IFRS 13.87) und somit auf letzter Hierarchie-Ebene (Stufe 3) unter der Verwendung geschätzter Daten ermittelt werden kann.
Tz. 455
Zu Erleichterungszwecken bietet der Standard die Möglichkeit, auf die förmliche Neuberechnung des Wertminderungstests bei der jährlichen Pflichtprüfung zu verzichten. Hauptsächlich bei wesentlichen Bewertungsreserven kann auf den Test verzichtet werden, sofern zugleich das wirtschaftliche Unternehmensumfeld seit letztmaliger Durchführung unverändert geblieben ist (IAS 36.24. und .99). Bei einem unveränderten status quo über mehrere Perioden kann die Erleichterung auch in mehreren aufeinanderfolgenden Perioden in Anspruch genommen werden, sofern hierdurch keine Wertminderung unterbunden wird. Ein Rückbezug auf die Erleichterung bei unterjährigen Hinweisen auf eine mögliche Wertminderung scheidet aus.
Tz. 456
Zur Bestimmung des Nettoveräußerungswerts hat sich IAS 36 an den Vorgaben von IFRS 13 bzw. an der dortigen Bewertungshierarchie zu orientieren (vgl. Tz. 53 ff.). Primär ist dafür auf beobachtbare Preise bindender Angebote (binding sales agreement) zurückzugreifen. Sekundär kann auf eine Preisbildung in aktiven Märkten (active market) abgestellt werden. Bei einem Vermögenswert wäre der Angebotspreis, bei einer CGU der Anteilspreis maßgeblich. Auch kann eine Ableitung aus bestmöglichen Informationen vorgenommen werden. Bindende Angebote oder Preisstellungen in aktiven Märkten, wie präferiert, sind indes nur selten gegeben (IAS 36.BCZ18).
Tz. 457
Eine enge Auslegung des Nettoveräußerungswerts führt nur in begrenztem Maße zu sinnvollen Resultaten. Folgende Punkte geben darüber Aufschluss:
- Preis aus bindenden Transaktionen: meist ist der Vermögenswert nicht mehr bilanzierbar oder gem. IFRS 5 auszuweisen (anderer Regelungsinhalt)
- beobachtbare Preise für vergleichbare Vermögenswerte: Transaktion muss in derselben Branche stattfinden
- vergleichbare Qualität: Preise auf Verkäufer- vs. Preise auf Käufermärkten
Die Verwendung des Nettoveräußerungspreises bliebe lediglich bei zeitnah vor dem Bilanzstichtag vollzogenen Transaktionen zu Marktbedingungen möglich (arms length transaction). Zur Heilung der engen konzeptionellen Ausrichtung lässt IAS 36 jedoch den Rückgriff auf Bewertungsverfahren zu.
Tz. 458
Zur Bewertung können verschiedene Verfahren herangezogen werden, wie z. B. das in der Praxis vorherrschende Discounted-Cashflow-Verfahren. Bei Modellbewertung des Nettoveräußerungspreises sind ausschließlich beobachtbare Marktdaten zu berücksichtigen. Im Ergebnis soll die Einschätzung eines hypothetischen Dritten reflektiert werden (IAS 36.20). Das dadurch entstehende "Bewertungskorsett" zielt aber nicht auf eine reale, sondern auf eine maximal (extern) objektivierte wirtschaftliche Situation ab.
BEISPIEL 1
Die X-AG als forschungsintensives Unternehmen entwickelt ein äußerst geheimes Medikament mit einer revolutionären Wirkstoffkombination, welches nach Zulassung als Schmerzblocker eingesetzt werden soll. Die Wirkstoffkombination ist weitestgehend erprobt und hat zu sensationellen Ergebnissen in den Testreihen geführt. Aufgrund schlechter Erfahrungen in der Vergangenheit bewahrt die X-AG allerdings, soweit möglich, bis zur Zulassung des Medikaments absolutes Stillschweigen über das Forschungsprojekt und die Ergebnisse. Ein dritter Markteilnehmer kann zum Bilanzstichtag somit die fantastischen Erfolgsaussichten nicht kennen. Im Nettoveräußerungspreis würde sich das Projekt nicht widerspiegeln.
Keine Berücksichtigung finden zudem unternehmensspezifische Synergien, sofern ein (hypothetischer) Marktteilnehmer nicht von deren Realisierung ausgehen würde, d. h. nicht die bessere Erkenntnis des Managements besäße.
BEISPIEL 2
Der Wert der X-AG wird auf 50 Mio. EUR geschätzt und unter Zugrundelegung des Barwerts der Cashflows bestätigt. Hierbei entsprechen sich interne und externe Erwartungen bzgl. des Werts. Zudem ergeben sich konzernweit Einkaufs- sowie Personalentwicklungsvorteile.
Nutzungswert
Die Vorteile betreffend den Einkauf sind einzubeziehen, da diese aus interner Sicht zu berücksichtigen sind. Die anderen Vorteile sind ohne Belang, da dem Unternehmen keine Vorte...