Dr. Thilo Schülke, Prof. Dr. Heribert Anzinger
Tz. 756
§ 256 Bewertungsvereinfachungsverfahren
Soweit es den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht, kann für den Wertansatz gleichartiger Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens unterstellt werden, daß die zuerst oder daß die zuletzt angeschafften oder hergestellten Vermögensgegenstände zuerst verbraucht oder veräußert worden sind. § 240 Abs. 3 und 4 ist auch auf den Jahresabschluß anwendbar.
1. Einleitung
a) Überblick
Tz. 757
Die Vorschrift stellt eine Ausnahme zum Einzelbewertungsgrundsatz (§ 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB) dar, die der Vereinfachung dient. Sie erlaubt in Satz 1, bestimmte Verbrauchsfolgen für Vermögensgegenstände des Vorratsvermögens zu unterstellen. Zulässig ist nur die Lifo- und die Fifo-Methode. Die Norm lässt ferner in Satz 2 die Fest- und Gruppenbewertung in der Bilanz zu, indem sie auf § 240 Abs. 2 und 3 HGB verweist, der Entsprechendes schon für das Inventar bestimmt (§ 240 HGB).
b) Entstehungsgeschichte
Tz. 758
Die Vorschrift beruht auf Art. 38, 40 Abs. 1 der vierten Richtlinie. Sie lässt sich nunmehr hinsichtlich Satz 1 auf Art. 12 Abs. 9 der EU-Bilanzrichtlinie stützen. Ob dies auch für die Fest- und Gruppenbewertung gilt, ist zweifelhaft, da eine Art. 38 entsprechende Vorschrift in die neue Richtlinie nicht übernommen wurde; möglicherweise lässt sich eine Ausnahme bei extensiver Auslegung des Wesentlichkeitsgrundsatzes rechtfertigen. Die Beschränkung auf das Vorratsvermögen sowie auf die Lifo- und Fifo-Methode ist eine zulässige Sachentscheidung des deutschen Gesetzgebers, ebenso die ausdrückliche Rückanbindung an die GoB. Bereits das AktG 1965 enthielt in § 155 Abs. 1 Satz 3 AktG a. F. eine Regelung, die Verbrauchsfolgeverfahren zuließ. Die ausdrückliche Beschränkung auf das Lifo- und das Fifo-Verfahren wurde aber erst durch das BilMoG 2009 vorgenommen.
c) Geltungsbereich
Tz. 759
Die Vorschrift gilt für alle bilanzierungspflichtigen Kaufleute. Sie ist in der geltenden Fassung gem. Art. 66 Abs. 3 EGHGB zwingend anzuwenden auf alle Geschäftsjahre, die nach dem 31.12.2009 beginnen. Eine frühere Anwendung ist gem. Art. 66 Abs. 3 Satz 6 EGHGB zulässig.
d) Rechtspolitische Diskussion und Entwicklungsperspektiven
Tz. 760
In der internationalen Rechnungslegung ist Lifo unzulässig (IAS 2.25). Im Zuge der Reform durch das BilMoG wurde daher diskutiert, dieses Verbot auch im deutschen Handelsrecht nachzuvollziehen. Da Lifo aber steuerrechtlich zulässig ist, entschied sich der Gesetzgeber gegen eine Streichung und für die Beschränkung auf Fifo und Lifo.
2. Erläuterung
a) Verbrauchsfolgeverfahren
Tz. 761
Das Gesetz lässt nur die Lifo-Methode und die Fifo-Methode zu. Lifo (Last in – first out) unterstellt, dass zuletzt gelieferte oder hergestellte Vorräte zuerst verbraucht werden. Damit ist der Altbestand zu bewerten, was im Falle steigender Preise – damit im Normalfall – zu einer Unterbewertung führt. Die Erfassung erfolgt entweder durch permanente Beobachtung des Materialverbrauchs oder – häufiger – durch Vergleich der Mengenbestände am Ende der Berichtsperiode (vgl. Tz. 766 f.). Unzulässig ist das Index-Verfahren, bei dem aktuelle Werte mit Vorjahreswerten verglichen werden, da hier nicht Verbrauchsfolgen unterstellt, sondern Werte fortgeschrieben und Wertunterschiede als Mengenunterschiede interpretiert werden.
Fifo (First in – first out) unterstellt demgegenüber (realitätsnah), dass die am längsten im Bestand befindlichen Vorräte zuerst verbraucht werden. Andere Verfahren, die früher teilweise als zulässig angesehen wurden, sind heute nicht mehr zulässig, weil der Wortlaut nunmehr ausdrücklich auf Lifo und Fifo beschränkt ist.
b) Beschränkung auf Vorratsvermögen
Tz. 762
Die Anwendbarkeit ist ausdrücklich auf das Vorratsvermögen beschränkt. Unter Vorratsvermögen sind die unter § 266 Abs. 2 B. I. HGB fallenden Vermögensgegenstande zu verstehen. Bisweilen wird auch eine Anwendung auf andere gleicharte Vermögensgegenstände des Umlaufvermögens, namentlich Wertpapiere, für zulässig gehalten, da es dem Gesetzgeber nicht auf das Vorratsvermögen, sondern die Gleichartigkeit angekommen sei. Da der Gesetzgeber eine entsprechende Klarstellung aber nicht vorgenommen hat, ist diese Auffassung abzulehnen. Lediglich für Versicherungsunternehmen exis...