Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Christian Fink
aa1) Überblick
Tz. 151
Der Ausweis von Kapitalquellen eines Unternehmens ist auf eine dichotome Kapitalstruktur bzw. eine Zweiteilung der Kapitalstruktur, d. h. auf die Differenzierung zwischen Eigen- und Fremdkapital, ausgerichtet. Vor diesem Hintergrund muss der Emittent eines Finanzinstruments dieses bzw. dessen Bestandteile gemäß IAS 32.15 im Zuge der Ersterfassung als finanzielle Verbindlichkeit (Fremdkapital), finanziellen Vermögenswert oder als Eigenkapitalinstrument (Eigenkapital) klassifizieren.
Tz. 152
Nach den Regelungen des IAS 32.11 ist Eigenkapital aus Sicht des Emittenten als Residualgröße zu bestimmen und setzt insofern die Widerlegung des Fremdkapitalcharakters voraus. Dabei ist für die erforderliche Abgrenzung gemäß IAS 32.18 auf den wirtschaftlichen Gehalt der zwischen Emittent und Zeichner getroffenen (vertraglichen) Vereinbarung abzustellen.
Der (Teil-)Ausweis von Finanzinstrumenten als Eigenkapital bedingt, dass die durch IAS 32.16 vorgegebenen Abgrenzungskriterien erfüllt sind:
- Das Finanzinstrument enthält keine vertragliche Zahlungsverpflichtung (contractual obligation) (vgl. Tz. 139).
- Für eine ggf. vorgesehene Erfüllung in eigenen Eigenkapitalinstrumenten des Emittenten besteht die Vereinbarung bzgl. eines feststehenden Austauschverhältnisses (Fixed-for-fixed-Bedingung) (vgl. Tz. 154).
aa2) Vorliegen einer Zahlungsverpflichtung (contractual obligation)
Tz. 153
Um als Eigenkapitalinstrument klassifiziert werden zu können, darf ein Finanzinstrument gemäß IAS 32.16(a) keine vertragliche Zahlungsverpflichtung (contractual obligation) aufweisen.
Durch IAS 32.16(a) stellt der Standardsetzer primär auf bedingte oder unbedingte Verpflichtungen zum Tausch von Geld oder anderweitigen finanziellen Vermögenswerten ab, durch die Fremdkapital begründet wird. Üblicherweise nicht als bilanzielles Eigenkapital können danach sog. Mezzanine-Finanzierungen – d. h. schuldrechtliches Kapital mit wirtschaftlichen Eigenkapitalelementen – gelten. Sofern wirtschaftliche Zwänge vorliegen, durch die das Unternehmen auch ohne bestehende rechtliche Verpflichtung zu Zahlungen verpflichtet ist, ergibt sich eine besondere Hürde, die einer Fremdkapitalklassifizierung entgegen stehen kann. Dies trifft bspw. auf Mindestdividenden zu, die durch sog. REIT-Gesellschaften zwecks Wahrung ihrer Steuerfreiheit ausgezahlt werden müssen. Hier besteht mit Blick auf die Nachteile, die mit einem Verlust der Steuerfreiheit verbunden sind, zwar keine rechtliche Verpflichtung zu Zahlungen, aus ökonomischer Perspektive liegt jedoch ein entsprechender Zwang vor.
aa3) Vorliegen der fixed-for-fixed-Bedingung
Tz. 154
Als weitere Bedingung zur Klassifizierbarkeit als Eigenkapital muss gemäß IAS 32.16(b) bei vorgesehener Erfüllung in eigenen Eigenkapitalinstrumenten des Emittenten ein feststehendes Austauschverhältnis (fixed-for-fixed) bezogen auf Leistung und Gegenleistung vereinbart sein. Diese ist etwa erfüllt bei Abschluss eines Terminkontrakts auf Anteile des Unternehmens, bei dem zu einem festen Betrag eine feststehende Anzahl von Anteilen erworben wird.
Zum einen stellt der Standardsetzer bei der fixed-for-fixed-Bedingung auf solche Leistungen ab, deren Vereinnahmung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten erfolgt. Diese sollen aus ökonomischer Perspektive insoweit keine eigenkapitalerhöhenden Einlagen darstellen, als dem Vertragspartner keine feststehende Anzahl von Anteilen gegen eine feststehende Leistung (fixed-for-fixed) versprochen ist, sondern ein in Abhängigkeit zum Wert der Anteile – d. h. des Aktienkurses – am Erfüllungstag zu einer differierenden Zuteilung von Aktien führender feststehender rechnerischer Geldbetrag. Zum anderen behandelt der Standardsetzer derivative Kontrakte, die auf den Erwerb oder die Ausgabe von eigenen Aktien ausgerichtet sind. Danach kann sowohl eine Option auf den Erwerb von eigenen Aktien durch das Unternehmen als auch die Gewährung einer Option auf Lieferung von eigenen Aktien an das Unternehmen zu Fremdkapital führen. Dies gilt auch für die Emission von Wandelschuldverschreibungen mit Wandlungsverhältnissen, die von externen, vom Unternehmen nicht kontrollierbaren Faktoren abhängen.