Dr. Falk Mylich, Prof. Dr. Christian Fink
Tz. 25
Eigene Anteile haben als wertlose Rechtshülse nach h. M. keinen Mehrwert für das Vermögen der Gesellschafter und damit der Gläubiger. Das ist zutreffend, weil sie wegen des Mittelabflusses beim Rückkauf gerade nicht mit Vermögen unterlegt werden. Unabhängig von ihrer Bedeutung als Akquisitionswährung oder Kursstabilisierungsfaktor bzw. Gegenleistung der Aktionäre für Sonderdividenden sind sie in der Bilanz als Vermögensübersicht so zu behandeln, als läge kein Vermögen vor.
Tz. 26
Unter Geltung der liberalen Art. 215d AktG (v. 18.07.1884) bzw. § 226 AktG (v. 10.5.1897) kam es im Vorfeld der Weltwirtschaftskrise zu massiven Rückkäufen eigener Aktien. Eigene Aktien wurden nicht aktiviert, sondern wie bei einer Kapitalherabsetzung vom Grundkapital abgesetzt, was bei Erwerben unter dem Nennwert zu Buchgewinnen führte. Insbesondere wurde versucht, den Wertverfall der eigenen Aktien durch den Erwerb weiterer eigener Aktien aufzuhalten. Der Konkurs der Nordwolle AG führte zur Krise der Darmstädter und Nationalbank und führte zur Notverordnung vom 19.09.1931, in der Restriktionen beim Erwerb eigener Aktien neu gefasst und deutlich erweitert worden sind. Der Gesetzgeber vertiefte diese Restriktionen in den folgenden Jahrzehnten. Eine Zäsur setzte die Kapitalrichtlinie mit drei – gerade für das Bilanzrecht – bedeutsamen Vorgaben:
- Der Erwerb darf nicht zu Lasten des Kapitals gehen.
- Die erworbenen eigenen Aktien sind durch eine nicht verfügbare Rücklage zu neutralisieren.
- Finanzielle Unterstützung beim Erwerb eigener Aktien ist unzulässig.
In den 1990er Jahren wurde der Erwerb eigener Aktien mit Blick auf Anforderungen der Kapitalmärkte liberalisiert.
Tz. 27
Seit dem BiRiLiG regelte § 272 Abs. 4 HGB a. F., dass eigene Anteile durch eine Rücklage zum gleichen Wert zu neutralisieren sind. Diese Rücklage durfte zudem nur aus frei verfügbaren Rücklagen gebildet werden. Durch das KonTraG im Jahr 1998 wurde § 272 Abs. 1 HGB a. F. um die Sätze 4–6 ergänzt, wonach zur Einziehung erworbene eigene Aktien vom Nennbetrag abzusetzen sind und der verbleibende Unterschiedsbetrag mit anderen Gewinnrücklagen zu verrechnen ist. Flankiert wurden diese Regelungen durch gesellschaftsrechtliche Vorgaben, nach denen eigene Anteile allein aus ungebundenem Vermögen erworben werden dürfen (§ 71 Abs. 2 Satz 2 AktG a. F.; § 33 Abs. 3 GmbHG a. F.).
Tz. 28
Seit dem BilMoG ist im HGB nun endgültig der Nettoausweis vorgeschrieben. Gem. § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG und § 33 Abs. 3 GmbHG muss der Erwerbspreis aus freien Rücklagen finanziert werden, d. h. solchen, die aufgelöst und an die Gesellschafter ausgeschüttet werden können. § 272 Abs. 1a HGB ordnet die offene Absetzung des Nennbetrags der erworbenen Anteile in der Vorspalte an (Satz 1). Der Differenzbetrag ist mit Gewinnrücklagen zu verrechnen (Satz 2). Aufwendungen, die Anschaffungsnebenkosten sind, sind Aufwand (Satz 3). § 272 Abs. 1b HGB revidiert § 272 Abs. 1a Satz 1, Satz 2 HGB bei Wiederveräußerung der eigenen Anteile, ordnet die Einstellung eines darüber hinausgehenden Erlöses in die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 1 HGB an und ordnet die Nebenkosten der Veräußerung wiederum dem Aufwand des Geschäftsjahres zu.
aa) Die gesellschaftsrechtlichen Erwerbsvorgaben
Tz. 29
§§ 71 ff. AktG und § 33 GmbHG geben restriktiv vor, unter welchen Voraussetzungen eigene Anteile erworben werden dürfen. Für das Bilanzrecht sind § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG und § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG relevant, wonach der Erwerb aus freien, d. h. zur Ausschüttung an den Gesellschafter bestimmten Rücklagen geschehen darf. Nicht verfügbar sind Grund- bzw. Stammkapital, gesetzlich gebundene Rücklagen im Aktienrecht (§ 150 AktG) und trotz Fehlens in § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG auch im GmbH-Recht (§ 5a Abs. 3 GmbHG), nach Satzung zu bildende Rücklagen, die nicht zur Zahlung an Gesellschafter verwendet werden dürfen und gem. § 268 Abs. 8 HGB gegen eine Ausschüttung gesperrte Beträge. Effektiv kann im Aktienrecht auf die Gewinnrücklage und die Kapitalrücklage gem. § 272 Abs. 2 Nr. 4 HGB und im GmbH-Recht auf alle Rücklagen zurückgegriffen werden. Erhöht wird der Betrag um einen Gewinnvortrag, vermindert um einen Verlustvortrag bzw. Jahresverlust. Ob der Gewinn des laufenden Jahres hinzugerechnet werden darf, ist umstritten. Das kann nicht pauschal abgelehnt werden, weil § 71 Abs. 2 Satz 2 AktG, § 33 Abs. 2 Satz 1 GmbHG davon sprechen, dass eine Rücklage gebildet werden...